Städtisches Bestattungswesen Meißen

Krematorium Meißen · Bestattung Meißen · Bestattungsinstitut Meißen

Vorträge zum Thema "Geschichte der Stadt Meißen, der Porzellanmünzen und Medaillen"

In diesem Artikel folgt eine Serie der Vorträge vom Autor Rainer Graf, der über die Geschichte der Porzellanmünzen und Medaillen des Meißens Feuerbestattungsvereins berichtet.

1. Vortrag: "Emil Paul Börner ein vielseitiger Künstler, mit klingender Mission"

Emil Paul Börner ein vielseitiger Künstler, mit klingender Mission"

Betrachtung zum 130. Geburtstag eines fast vergessenen Meißner Künstlers.

Emil Paul Börner

Betrachtungen zum 130. Geburtstag eines fast vergessenen Meißner Künstlers. Dieser Vortrag wurde von Reiner Graff am 18. März 2018 in der Parentationshalle vom Krematorium Meißen und in Anwesenheit der Enkelin des Künstlers Frau Antje Dackweiler erstmalig gehalten.

(Es ertönten die sechs Porzellanglocken von Emil Paul Börner zu Beginn des Vortrages.)

Das was wir so eben hören konnten, war das Geläut von sechs Glocken aus Meißner Porzellan. Jede Feier hier im Krematorium Meißen beginnt seit dem Jahre 1932 mit solch einem Geläut. Ursprünglich waren es einmal vier Porzellanglocken, die Professor Emil Paul Börner damals selbst, oben im Chorraum, installierte. Später, im Jahre 1938, erweiterte man das Geläut noch um zwei weitere Glocken so dass es heute sechs Glocken sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde, ich darf Sie alle recht herzlich zum Vortrag „Emil Paul Börner ein vielseitiger Künstler, mit klingender Mission“ begrüßen. Ich möchte heute mit Ihnen gemeinsam auf das schaffensreiche, manchmal auch für uns weniger bekannte Leben des Meißner Künstlers, zurückblicken. Bekannte und eventuell auch völlig unbekannte Werke, wovon sich einige direkt hier am Ort befinden, sollen dabei benannt und vorgestellt werden.

Auch ich möchte mich ihnen kurz Vorstellen. Mein Name ist Reiner Graff, ich arbeite als freier Journalist und Redakteur im Land Brandenburg und kann noch immer mit Stolz behaupten, meine Wiege und mein Elternhaus standen einmal in Meißen. Ich bin hier im Triebischtal zur Schule gegangen und habe später auf dem Hahnemannsplatz bei der GHG Obst, Gemüse und Speisekartoffeln gearbeitet.

Seit 1984 lebe ich nun in Berlin und Brandenburg und seit 2006 arbeite ich für verschiedene Zeitschriften in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Was hat mich wohl veranlasst einen Vortrag über Emil Paul Börner zu halten? Nun, das sind vordergründig zwei Punkte die mich dazu bewegten. Zum einen, weil sein Name und auch seine unzähligen Werke offenbar in Vergessenheit geraten sind. Keine Straße, keine Gasse, kein Weg, weißt heute auf den schaffensreichen Künstler hin. Und zum anderen, weil in diesem Jahr, am 12. Februar der Künstler seinen 130. Geburtstag begangen hätte. Für mich war das Grund genug, einem Sohn der Stadt Meißen, einen eigenen Vortrag zu widmen.

Dort oben, hinter dem imposanten Schmuckgitter und unsichtbar für den Besucher, befinden sich sechs der größten Porzellanglocken die bisher in der Porzellanmanufaktur Meißen hergestellt wurden. Nachdem zur Tausendjahrfeier der Stadt, im Jahre 1929, das allererste stimmbare Porzellan-Glockenspiel an die Frauenkirche am Markt übergeben wurde, waren in der Manufaktur Meißen noch einige Glocken auf „Reserve“ zusätzlich gefertigt worden.

Ganz wichtig dabei zu Wissen, erst nach dem Brand der Porzellanglocke, weiß man erst welche Schwingdauer sie einmal haben wird. Zwar arbeitet man mit unterschiedlichen Größen der einzelnen Glocken, dabei immer die gewünschte Schwingdauer zu treffen, ist die andere Seite. Man hatte also damals in der Manufaktur noch eine „bisher stille Reserve“, diese baute Börner in das gerade in Betrieb genommene Krematorium ein und brachte sie zum Klingen. Börner hatte sich sehr beim Bau und der Ausgestaltung vom Krematorium engagiert und er war Mitglied des Feuerbestattungsvereins Meißen.

Die größte Glocke dort oben hat eine Höhe von 70 cm und dabei ein Gewicht von ca. 3 kg. Wichtig an dieser Stelle sei auch der Hinweis, dass diese Art von Porzellanglocken alle keinen Klöppel besitzen. Es handelt sich vielmehr um klöppellose Glocken, welche meist von außen angeschlagen werden.

Angetrieben wird das Geläut über eine Welle, die noch immer ein alter Elektromotor aus dieser Zeit um 1929 von AEG zuverlässig antreibt. Angeschlagen werden die aufgehängten Glocken wie schon erwähnt, von außen mit sechs hölzernen Hämmern. Die Spielmechanik selbst wurde damals von der bekannten Leipziger Uhrmacher Fabrik Bernhard Zachariä installiert und seitdem läuft alles ohne Probleme und großartigen Wartungen störungsfrei. Gespielt wird keine Melodie, sondern es handelt sich hierbei um eine Folge von Tönen, welche eher als Geläut zu verstehen sind. Geläute haben ja meist die Aufgabe, wir kennen das ja bereits von der Kirchturmuhr, Aufmerksamkeit zu erwecken und dabei etwas zu signalisieren. In unserem Falle signalisiert es den Beginn der Trauerfeier oder in meinem Falle, den Beginn des Vortrages.

Das Glockengeläut selbst, und viele andere Details hat Börner wie es damals üblich war, mit der Kamera selbst fotografiert und die eigenhändig beschrifteten Fotos dann in ein Fotoalbum geklebt. Dieses Fotoalbum hatte Börner später dem Krematorium übergeben und es ist bis heute erhalten geblieben. Einige Fotos daraus darf ich Ihnen heute während meines Vortrages natürlich auch zeigen.

Emil Paul Börner wurde als Kind seiner Eltern im Triebischtal, in der Hirschbergstraße 5, am 12. Februar 1888 geboren. Sein Vater Emil Friedrich Börner hatte eine Tischlerei, später wird er die Werkstatt in eine Pianofortetischlerei umwandeln.

Sein zeichnerisches Talent, er malte und zeichnete sehr gern, entdeckte man schon während der Schulzeit. Nach Abschluss der Schule begann er eine Ausbildung als Porzellanmaler. Ob er selbst einmal Porzellanmaler werden wollte ist unbekannt, doch reichten seine künstlerischen Fähigkeiten aus, um gleich von einer namhaften Firma, in der Nähe der Königlichen Porzellanmanufaktur Meißen angenommen zu werden. In der Porzellanwerkstatt von Julius Pfohl wird Börner zum Porzellanmaler ausgebildet.

Nebenher nimmt Börner noch zusätzlichen Privatunterricht in einer Zeichenschule, die ein Figurenmaler aus der Königlichen Manufaktur betreibt. Hier erlernt er vor allem Motive aus der Natur künstlerisch umzusetzen. Nach erfolgreichem Abschluss seiner Lehre, geht er 1905 an die Kunstgewerbeschule Dresden, wechselt aber bereits ein Jahr später an die Königliche Kunstakademie und setzt dort seine Studien fort. Um seinen Aufenthalt und die Ausbildungskosten zu finanzieren, gibt Börner an einer privaten Zeichenschule in Dresden selbst Unterricht.

In Meißen, im Stadtteil Cölln, lernt Börner den Bildhauer, Maler und Illustrator Sascha Schneider kennen, welcher auch in Meißen seit 1900 ein eigenes Atelier in der Zaschendorfer Straße 81 betreibt. Schneider selbst, ist vor allem durch seine eindrucksvollen Titelzeichnungen zu einigen Werken von Karl May bekannt geworden. Doch auch in der Meißner Johanneskirche hat Sascha Schneider ein eindrucksvolles Werk hinterlassen. Ihm folgt Börner im Jahre 1909 zu einem einjährigen Studienaufenthalt in Italien nach Florenz und arbeitet dort in dessen Atelier.

In dieser Zeit hat sich Börner mit der dritten Dimension, der Räumlichkeit ausgiebig beschäftigen können. Er erwarb sich dabei Erfahrungen im Modellieren und konnte für sich die Liebe zur Plastik gewinnen. Zurück im sächsischen Meißen, bewirbt er sich an der Königlichen Porzellanmanufaktur als Maler und wird dort am 1. Dezember 1910 angenommen.

Unter der damaligen Manufakturleitung von Paul Gesell obliegt es ihm nun neue Entwürfe für moderne, figürliche Dekore zu erarbeiten. In dieser schon sehr schaffensreichen Zeit gelingt es Börner immer wieder seine Ideen wirksam einzubringen.

Für Aufsehen und Anerkennung sorgen zum Beispiel, die im Jahre 1911 geschaffene Papageienvase oder die filigrane Plastik „Spanische Tänzerin“. Sein Talent, nun endgültig erkannt und wahrgenommen, wird auch außerhalb der Manufaktur allmählich zum Begriff.

Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wird auch Börner zum Heeresdienst eingezogen. Sein künstlerischer Werdegang ist vorerst unterbrochen. Zwei Jahre Kriegsdienst an der Front beeinflussen Börners künstlerisches Empfinden sehr und seine Arbeiten werden nun auch zunehmend von einer expressiven Übersteigerung geprägt. Börner wirkt nun in dieser Zwischenkriegszeit gleichzeitig als Maler, Medailleur, Plastiker und Formgestalter an der Manufaktur in Meißen.

Mit der Hilfe des neuen Generaldirektors an der Porzellanmanufaktur Meißen, Max Adolf Pfeiffer, wird Börner schnell zu einem der wichtigsten Künstler. Die sogenannte Pfeifferzeit beginnt und die beiden blauen gekreuzten Kurschwerter, das Markenzeichen der Manufaktur, erhalten oben zusätzlich noch einen Punkt. Wunderbar kann man das heute selbst erleben und zwar auf der Rückseite der Manufaktur auf den beiden Wandbildern.

Bereits am 1. September 1923 wird er ein Meisteratelier, zunächst für fünf Jahre, übernehmen. Ab sofort standen ihm bei seinen künstlerischen Aufgaben talentierte Assistenten zur Seite, welche dabei auch gleichzeitig von Börner ausgebildet wurden. Im Jahre 1924 erfolgte durch das sächsische Finanzministerium die Berufung zum Professor.

Die damalige Fachpresse würdigte in dieser Zeit meist seine unzähligen Münz- und Medaillenentwürfe neben seinen Geschirr- und Gefäßkreationen. Sein plastisches Schaffen wurde noch oft übergangen, doch sollte auch dieser Sektor seiner Arbeiten bald für große Aufmerksamkeit und Anerkennung sorgen.

Im Hinblick auf die Jahrtausendfeier der Stadt Meißen im Jahre 1929 erhielt Börner vom Generaldirektor der Manufaktur Meißen, Max Adolf Pfeiffer, den Auftrag, die Versuche zur Herstellung von Porzellanglockenspielen wieder aufzunehmen. Mit der Hilfe eines weiteren Künstlers aus der Meißner Talstraße, Hermann Dietze, gelang Börner ein weiteres Projekt. Das Glockenspiel konnte damals pünktlich zu Beginn der Feierlichkeiten übergeben werden.

Wieder war es Börner gelungen ein Aufsehen erregendes Porzellanwerk zu schaffen. Porzellanglockenspiele aus der Manufaktur Meißen wurden nun für viele Städte des damaligen Deutschlands hergestellt und installiert. Als Beispiele seien hier die Porzellanglockenspiele in Dresden (Zwinger, 1933), Bremen (Böttcherstraße, 1934), Berlin (Dönhoffplatz, Lebensuhr, 1935), Görlitz, (Landeskrone, 1930) und Halberstadt, (Rathaus, 1939) genannt. Heute gibt es Porzellanglockenspiele aus der Manufaktur Meißen in vielen Städten Europas und in Asien.

Als man ebenfalls im Jahre der Jahrtausendfeier, am 26. Mai 1929 die Nikolaikirche als Kriegergedächtnisstätte einweihen konnte, stand das einmalige Gesamtwerk Börners, sofort im Fokus der internationalen Presse. Noch heute gelten die Arbeiten Börners als eine keramtechnische Meisterleistung.

Und wir bleiben immer noch im Jahre 1929, denn der Künstler befasste sich nun auch mit Glocken aus Metall. Nachdem der Dom in Meißen am Ende des Ersten Weltkrieges nur noch zwei der einst vier Glocken aus dem Jahre 1908 besaß, wollte man zur Tausendjahrfeier wieder komplett sein.

Börner bekam den Auftrag, entsprechende Entwürfe für den Glockenschmuck der fehlenden Johannes- und Lukasglocke zu liefern. Die Entwürfe wurden angenommen und ausgeführt. Die Johannesglocke aus Bronzeguss im Meißner Dom gilt noch heute als eine der figurenreichsten Glocken der Welt. Sie wurde anlässlich der 1000-Jahr-Feier Meißens, von Otto Schilling und Söhne in Apolda gegossen. Dargestellt sind Szenen aus der Offenbarung, Christus als Weltenrichter und das Jüngste Gericht.

Börner selbst hat nun den Höhepunkt seines Schaffens erreicht und auch privat lebt Börner mit seiner Frau Katharina und dem im Jahre 1921 geborenen Sohn Christoph Witlof, im Meißner Stadtteil Cölln, in der Kaiserstraße 16 (später Kurt-Hain-Straße) in Harmonie. Seine Wohnung dient gleichzeitig als privates Atelier und der in der Familie äußerst geschätzte Baumkuchen, einer noch heute sehr bekannten Konditorei, dort in der Straße, zierte wirklich oft die heimische Kaffeetafel. Brauchte der Künstler für seine Arbeiten einmal ein weibliches Aktmodell, dann ist es seine Frau Katharina, welche die Damen vorher zu sich einlädt begutachtet und die schließlich die Auswahl trifft.

Die vielen, fast unzähligen Entwürfe für Notgeldmünzen und Medaillen füllen ganze Kataloge und bilden einen wichtigen Schwerpunkt im Schaffen des Künstlers. Mehr als über eintausend Entwürfe können dem Künstler zugeordnet werden. Sie wurden in braunem Feinsteinzeug oder weißen Biskuitporzellan umgesetzt, dabei experimentierte Börner auch mit anderen Materialfarben und liebte das Spiel mit verschiedenen Dekoren, die er gern bei Proben einsetzte. Börner wollte dem Kunden damit zeigen was denn so alles mit dem Medium Porzellan möglich ist. Er konnte mit seinen Ideen die Menschen zeitgleich begeistern sowie verzaubern. Dem entwerfenden Künstler Emil Paul Börner gelang es stets, die Münzen neben der obligatorischen Wert-, Jahres- und Herkunftsangabe, mit typischen Motiven von Produktionszweigen und ihren Produkten, historischen Bauwerken und regionalen Dingen, symbolhaft zu versehen. Das Schwerterzeichen auf jeder Münze verwies auf deren Herkunft aus der Meißener Porzellan-Manufaktur. Börner erwies sich als Meister der Reliefkunst, der auf kleinstem Raum eine künstlerische Aussage dekorativ umzusetzen vermochte.

Ein weiteres Betätigungsfeld Börners wurde die Gestaltung von Geldscheinen, bestimmt für den inneren Verkehr der Manufaktur in Zeiten der Hochinflation. Hier zog der Künstler alle Register seines grafischen Könnens.

Heute sind solche Geldscheine eine Rarität, tragen sie doch alle die eigenhändige Unterschrift von Max Adolf Pfeiffer. Die Scheine sind nur einseitig bedruckt und sollten an die Angestellten der Manufaktur ausgegeben werden. Da der Wert des damaligen Geldes galoppierend, oft innerhalb weniger Stunden sank, wollte man den Angestellten wenigstens einen gewissen Wert in die Hände geben. Mit diesen Geldscheinen konnte man Produkte der Manufaktur, also Porzellan erwerben. Das Porzellan aus Meißen war ja weltweit beliebt und hatte seinen Wert behalten.

Mit dem Erwerb von Porzellan war den Angestellten die Möglichkeit gegeben, auf dem freien Markt dringend benötigte Lebensmittel zu tauschen oder zu erwerben. Diese Tatsache sprach sich sehr schnell herum und bald gab es einige Händler aus Meißen, welche diese Geldscheine auch direkt akzeptierten. Die Motive dieser Scheine sprechen durch die Grafiken von Börner eine deutliche Sprache der damaligen Zeit.

Ab 1. Oktober 1930 wurde Börner zum Direktor der Malerei- und Gestaltungsabteilung der Manufaktur Meißen berufen. Zwar hätte auf der einen Seite diese führende Position in Börners künstlerischem Leben eine nochmalige Erweiterung seiner Möglichkeiten bringen können, allerdings war diese Tätigkeit auch gespickt von Bürokratie. Börner war Künstler, aber kein Mensch der für den Schreibtisch geboren war. Seine so geliebte eigenschöpferische Arbeit kam mehr als zu kurz. Die Deutsche Keramische Gesellschaft ehrt Börner im Jahre 1930 mit der Böttger-Denkmünze für sein bisheriges künstlerisches Schaffen.

Börner selbst, fühlt sich in seiner schöpferischen Arbeit behindert und ist unzufrieden. In diese Zeit fällt auch die heute oft sehr legendär und abenteuerlich geschilderte Entlassung des Generaldirektors der Manufaktur Meißen, Max Adolf Pfeiffer. Immer wieder wird Börner dabei direkt mit in das Geschehen als Schuldiger hineingezogen, obwohl es hier an unumstößlichen Fakten fehlt. Moderne Autoren verurteilen ihn zwar, räumen aber selbst gleichzeitig ein, dass es dafür keine Belege gibt. Doch was war geschehen und was ist belegbar?

Fakt ist, dass die Nationalsozialisten in Deutschland, somit auch in Sachsen, das Sagen hatten. Generaldirektor Pfeiffer und auch Börner waren damals beide Staatsbeamte, welche dort eingesetzt werden konnten, wo man sie gerade brauchte. Einen Anspruch auf ein Tätigkeitsfeld in der Manufaktur Meißen, hatten demnach beide nicht.
Fakt ist auch, dass Börner seit 1933 Mitglied der NSDAP war und im Jahre 1938 das große Wandgemälde, ein Auftragswerk, im Sitzungssaal des Gebäudes der Landesbauernschaft in Dresden mit dem Titel „Säen und Ernten“ schuf.

Doch reichen alleine diese Tatsachen aus für eine allgemeine Verurteilung? Ich folge für mich in dieser Angelegenheit eher dem Spruch: In dubio pro reo! Börner bleibt bis 1937 in der Manufaktur, ist dort aber weiter unzufrieden. Am 1. April 1937 erhielt er eine Professur an der Dresdner Akademie für Kunstgewerbe.

Hier fand er vorerst ein neues Tätigkeitsfeld, bis er dann 1942 noch zusätzlich eine Lehrtätigkeit an der Staatlichen Kunsthochschule Dresden annahm. Nebenher arbeitet er nun als freischaffender Künstler. In seinem Wohnhaus in Meißen, Kaiserstraße 16, unterhält er immer noch ein kleines Atelier. Schon Jahre vorher wendet er sich auch anderen Projekten zu und ein Projekt davon war die Ausgestaltung des Krematoriums Meißen.

Und wenn wir uns dann nochmals dem Schmuckgitter der einstigen Orgelempore zuwenden, dann sehen wir wieder ein Motivbeispiel der besonderen Art.

Das Gitter ist aus Holz gefertigt und trennt die Empore vom Hauptraum. Das Zusammenspiel horizontaler und vertikaler Streben, ist im Schmuckverständnis der 1930er Jahre gehalten, welches Börner auch immer wieder in dieser Zeit aufgriff. Man kann sie schon auf den Motiven für Münzen und Medaillen, an Plastik und Dekor sowie bei vielen anderen Arbeiten finden.

Das Gittermotiv zieht sich durch die gesamte Feierhalle und ist dann auch an den Verkleidungen der Heizkörper im Sockelbereich und sogar an den silbernen Türknäufen zu sehen. Vor der Halle ist das Muster in den gläsernen Lampenschirmen am Haupteingang präsent.

Die seitlichen vertikalen Fenster der Trauerhalle mit den Maßen 4,5 m × 0,6 m wurden zwar vom Chemnitzer Künstlers Alfred Bielenberg gefertigt, der künstlerische Entwurf stammt allerdings von Börner selbst.

In gelblichem, von unten nach oben immer heller werdenden Tone, zeigt er uns die Sonne und darüber das Urlicht. Die davon ausgehenden, über alle Fenster laufenden Strahlen verbinden diese zu einem einheitlichen Ganzen. Einige vom Künstler dargestellten
menschlich vergeistigte Gestalten in blauer Tönung beleben die Mitte der Fenster.

Im Jahre 1936 bekam die Halle eine heute nicht mehr erhaltene Ausmalung durch den Dresdner Kirchenmaler Max Helas, was aber umstritten ist. Denn bereits vorher existierte an der Wand zwischen Chorempore und Katafalknische eine Malerei von Emil Paul Börner, die zwei Engel darstellte, welche eindrucksvoll mit ausgestreckten Armen von oben auf den Aufbahrungsplatz hinwiesen. Darüber malte Börner mit seinen typischen Strahlenornamenten einen Himmel.

Links und rechts der Nische befanden sich ebenfalls zwei gemalte Ornamente. Beide lehnten sich in ihrer Art der Zier der großen Medaille mit dem Phönix über dem Haupteingang an.

Ebenfalls aus dem Jahre 1936 ist das italienische Mosaik von Max Helas mit seiner stilisierten Kreuzdarstellung, welches vermutlich nach einem Entwurf von Börner stammt. Hier auf dem Foto allerdings noch nicht vorhanden. Zum zusätzlichen Schmuck der Feierhalle zählen die ursprünglich vier großen dunkelroten und mit Sternen verzierten Tonvasen, welche Börner in den Teichert-Werken herstellen ließ. Zwei gingen verloren und standen einmal hier vorn und die beiden erhalten gebliebenen Vasen schmücken noch heute den Eingangsbereich.

Auch im Außenbereich am Urnenhain, befinden sich zwei weitere eindrucksvolle große Deckelvasen von Börner aus Teichert-Steinzeug.

Vollständig mit braunroten Keramikfliesen aus Teichert-Steinzeug und mit einigen Bildmotiven, ist der Aufbahrungsraum im Hintergrund der Feierhalle ausgekleidet. Diesen Raum können Sie sich im Anschluss auch noch selbst ausgiebig betrachten Einzelne Fliesen sind mit Sprüchen über Tod, Auferstehung und Andacht versehen. Die dafür gewählte Schriftart und die verwendeten Symbole erinnern immer wieder an die vielen Inschriften auf Münzen und Medaillen, die der Künstler Börner schuf.

Bemerkenswert ist der hier auf dem Bild sichtbare Einfahrwagen aus Holz, er wurde im Jahre 1931 von der Meissner Sargtischlerei Firma Leuteritz gebaut und ist noch heute in Betrieb.

Vor dem Komplex dominiert über dem Portikus am Hauptgiebel eine rotbraune Plastik von Börner. Hier befindet sich eine etwa vier Meter große Skulptur, die die Trennung von Seele und irdischem Leib nach dem Tod darstellt. Mit weit geöffneten Armen strebt eine nackte, junge weibliche Figur nach oben, während zu ihrer rechten Seite in ein faltenreiches Tuch gehüllt und mit auf der Brust gekreuzten Händen die leere Körperhülle kopfüber hinabfällt.

Die gesamte Skulptur wirkt auf den Betrachter etwas grob behandelt, was natürlich auch ein wenig an der Farbgebung selbst liegt. Die Figurengruppe verdeutlicht uns in ihrer Form, dass die jung gebliebene Seele Fortbestand hat und der Leichnam, dem die Seele entschwunden ist, im Gegensatz dazu wertlos wurde. Um sich des Leichnams zu entledigen, ist die Feuerbestattung noch immer die schnellste Methode, und der dabei erzeugte Rauch symbolisiert zeitgleich das Emporsteigen der Seele. Die Skulptur steht also in direkter Beziehung zur Leichenverbrennung. Vom Werk Paul Börners gab es ursprünglich eine heute leider verschollene kleinere Ausführung aus weißem Porzellan. Das ursprüngliche Porzellanbild selbst, hing einst im ehemaligen Hinterbliebenenzimmer und gilt heute als verschollen.

Über Suchanzeigen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde im Jahre 2016 und 2017 versucht, näheres über den Verbleib der Skulptur zu erfahren. Bisher gab es zwar keine Hinweise, doch ist es über diese Anzeigen zumindest gelungen, zahlreiche Auktionshäuser sowie Kunsthändler auf die verschwundene Plastik aus Meißner Porzellan aufmerksam zu machen.

Eine dritte Variante vom Motiv, nun in Gestalt einer Glasmalerei, die heute in der Feierhalle des Krematoriums Chemnitz zu sehen ist, schuf laut Signatur Emil Paul Börner im Jahre 1949, nachdem die ursprünglichen Fenster Verluste des Zweiten Weltkrieges geworden waren.

Erneut greift Börner auf das Motiv einer Pietà zurück und gestaltete sie allerdings in einer etwas anderen monumental-realistischen Art. Damit hat er auch im Krematorium Chemnitz eine künstlerische Spur hinterlassen.

Und wir kommen wieder zurück zum Krematorium in Meißen. Direkt über der Eingangstür wurde ein Medaillon vom Künstler angebracht, welches einen Phönix und keinen Adler, wie oft vermutet, darstellt, der aus Feuer, Rauch und Asche wieder aufersteht. Das Motiv soll damit auf einen Ort der Feuerbestattung hinweisen.

Auch hier gibt es im alten Fotoalbum ein Foto, welches den Meister im Atelier zeigt, während im Hintergrund Zeichenstudien vom Medaillon hängen und auch ein Modell der bekannten Figurengruppe, die heute an der Außenfassade angebracht ist.

Emil Paul Börner selbst lehrt nun im Zweiten Weltkrieg an beiden Hochschulen in Dresden als Professor. Nebenher arbeitet er als freischaffender Künstler. Noch immer bleibt er seiner Wohnstätte in Meißen, Kaiserstraße 16, treu und unterhält er nach wie vor ein kleines Atelier. Bis zum Ende des Krieges wird der Künstler allerdings kein größeres Projekt mehr beginnen.

Er ist offenbar mit seiner Lehrtätigkeit ausgelastet, hält sich aber auch gleichzeitig aus allen politischen Aktivitäten heraus. Mit der Bombardierung Dresdens im Februar 1945, die mit unzähligen Opfern und sinnloser Zerstörung in die Geschichte eingehen wird, war ein Unterricht an Akademie und Kunsthochschule nicht mehr möglich. Börner ist nun 57 Jahre alt.

Er widmet sich, soweit es geht, nur noch der Arbeit als freischaffender Künstler. Um 1952 kommt es erneut zum Kontakt mit der Manufaktur Meißen und dem Porzellan. Aber auch zur KPM in Berlin pflegt er Kontakt und bekommt dort Aufträge für den Entwurf von mehreren kleinformatigen Figuren. Noch immer sind diese Figuren zartgliedrig modelliert und tragen mit ihren pausbackigen Köpfen, die altbekannte Handschrift des Künstlers.

Weiterhin liefert Börner in dieser Zeit die Entwürfe für zwei Relief-Medaillons der beiden Denkmäler für Ernst Thälmann und August Bebel in Neusörnewitz bei Coswig. Beide Denkmäler stehen noch heute in der Elbgausiedlung und der Försterstraße, beide blieben erhalten.

Im Jahre 1956 verstirbt der Sohn des Künstlers, Christoph Witlof und hinterlässt tiefe Wunden in den Herzen beider Eltern. Wunden, welche niemals heilten!

Im gleichen Jahr beschließt der Stadtrat zu Meißen die Herstellung eines Denkmalsockels auf dem später die bereits vorhandene Bronzebüste von Friedrich Samuel Hahnemann platziert werden soll.

Emil Paul Börner bekommt den Auftrag einen Entwurf für den Sockel zu liefern. Aus Kostengründen wurde allerdings der einst vom Künstler geplante Unter- und Zwischensockel nicht umgesetzt. Börner schuf daher einen eher schlichten Obelisken aus rotem Meißner Granit. Der Künstler wird auch gleichzeitig von der Stadt mit der Bauleitung für die Aufstellung des Denkmals beauftragt. Am 5. Februar 1957 waren die Arbeiten beendet. Zur Info, das Hahnemann Denkmal steht im Park hinter der Nikolaikirche.

Als sich das 250. Jubiläum der Porzellanmanufaktur Meißen im Jahre 1960 nähert, gehört auch Börner mit zu den Künstlern, welche Entwürfe für eine dort geplante Jubiläums-Kollektion liefern. Er legt darauf Entwürfe für einen Geschirrkomplex, einige Vasen, Medaillen und Plaketten vor und erhält wiederum große Anerkennung. Seine Entwürfe werden zum Beispiel auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1960 in einer besonderen Ausstellung am Stand der Porzellanmanufaktur Meißen, dem internationalen Publikum präsentiert.

Auch in den damals zahlreichen Publikationen zur 250-Jahr-Feier, welche die Porzellanmanufaktur Meißen herausgibt, findet Börner immer wieder Lob und wird öfters anerkennend benannt. Zwei Thüringer Porzellanmanufakturen werden zum Ende der 60er Jahre noch mehrere Figurenmodelle vom Künstler ankaufen um sie in ihre Kollektion aufzunehmen. Diese Modelle gehören zu den letzten Auftragswerken, die Börner annimmt und gestalten wird.

Danach wird es plötzlich still um den Künstler. Er zieht sich nun völlig in sein Privatleben zurück. Nach einer kurzen schweren Krankheit verstirbt der Künstler im Meißner Landkrankenhaus am 7. November 1970. Emil Paul Börner wurde später hier im Krematorium Meißen, unter der Einäscherungsnummer 46395 eingeäschert.
Und so schließt sich wieder ein Kreis, er endet an einer Stätte, die mit dem Meister so intensiv verbunden ist, die ihm viel abverlangte, die ihn herausforderte, die ihm seine Vielfältigkeit entlockte und die uns noch heute einen Emil Paul Börner mit großer Intensität erleben lässt. Und wenn Sie einmal auf der anderen Elbseite im Stadtteil Cölln unterwegs sind, dann besuchen Sie doch einmal die Grabstätte der Familie Börner auf dem alten Johannesfriedhof. Es wäre zugleich ein kleines privates Zeichen des Dankes um seine Verdienste für die Stadt Meißen. Und übrigens, sind die einzelnen Grabsteine der Familie, gleichzeitig weitere Werke des Künstlers.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat mich sehr gefreut, dass Sie heute hier im Krematorium Meißen mit mir gemeinsam an einen großen Künstler der Stadt, aus Anlass seines 130. Geburtstages gedacht haben. Mein besonderer Dank gilt dabei dem Bestattungswesen Krematorium Meißen, welches diese kleine Gedenkfeier+ Vortrag erst möglich machte und dafür die Feierhalle zur Verfügung stellte.

Mein Ziel war es, vor allem einen Meister der Formgestaltung, einen Medailleur und Kunstmaler, einen Sohn der Stadt Meißen, nicht zu vergessen. Und wenn die Domglocken uns mit ihrem wundervollen Geläut einmal wieder einen Feiertag ankündigen, oder wir, wenn auch nur aus weiter Ferne, das Porzellanglockenspiel am Markt vernehmen, dann sollten wir in unseren Herzen auch den Gedanken tragen.

Danke, du Vater des Glockenspiels, danke, wir können Dich noch hören!

Zum Abschluss gestatten Sie mir bitte noch, einen weiteren Dank auszusprechen. Dieser Dank gilt einer besonderen Dame, eine Dame, die sich nicht gescheut hat einige hundert Kilometer in Kauf zu nehmen, nur um heute hier zu sein. Es ist die Enkelin des Meisters Emil Paul Börner, Frau Dackweiler, welcher ich heute meinen ganz besonderen Dank aussprechen möchte. Ohne Ihre Hilfe und die Beantwortung meiner unzähligen, oftmals auch sicherlich nervigen Fragen, hätte es den Vortrag in dieser Form wohl nicht gegeben.

Ich bedanke mich für Ihr Interesse und verbleibe mit den besten Wünschen, Ihr Reiner Graff.

2. Vortrag „Otto Horn – Kontraste um einen Meißner Universalsammler“

Das bei vielen Leuten mehr oder weniger bekannte Porzellanglockenspiel hier im Krematorium Meißen, übrigens eines mit seinen nur sechs Glocken im Umfang kleinsten auf der Welt, hat mit einem angenehmen und auch würdigen Klang den Vortrag über den ehemaligen Bürger der Stadt Meißen Ernst Otto Horn eröffnet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde der Meißner Geschichte, ich darf Sie heute erneut zu einem Vortrag aus meiner Vortragsserie „Sie waren alle Bürger der Stadt Meißen und haben ein Stück sächsische Geschichte in die Welt getragen.“, recht herzlich begrüßen.

Wenn man sich mit dem Leben von Otto Horn befasst und alles mit dem aktuell von verschiedenen Seiten präsentierten Wissen darüber vergleicht, dann wird man immer wieder auf einige Unrichtigkeiten und Abweichungen stoßen. Einiges wird dabei nicht vollständig aufgeklärt und einiges wird wohl auch in Zukunft ein undurchdringbares Rätsel seiner Lebensgeschichte bleiben.

Mein Ziel bei der ausgiebigen Recherche sah ich darin, bisher kaum oder noch nicht vollständig erforschte Tatsachen über sein Leben bekanntzumachen. Ein wichtiger Schwerpunkt ist dabei sein Leben als Sammler. Dabei musste ich feststellen, dass gerade nach seinem Freitod 1945, die einst zusammengetragenen Münzen, Medaillen und andere Kunstwerke, ihm nun ein weiteres zusätzliches Leben bescheren.

Vieles wird gerade in der Gegenwart über seine Sammlung berichtet und oftmals wird zwar von einem Otto Horn gesprochen, dem man große Verdienste um die Stadt Meißen zuschreibt, doch dabei die letzten Hinweise und Belege für sein irdisches Dasein vollkommen missachtet, vergisst und sogar mit Füßen tritt. Und das liebe Freunde, das hat wohl keiner verdient.

Ernst Otto Horn war seinerzeit ein angesehener Meißner Bürger, er war Kaufmann, Winzer, Weingroßhändler, Numismatiker und Kunstsammler. Sein Vater, seine Mutter und er selbst trugen bis 1918 den Titel eines Königlich Sächsischen Hoflieferanten.

Mit großem Ehrgeiz und Schaffenskraft widmete er sich nach dem Tode seines Vaters dem elterlichen Geschäft in der Meißner Elbstraße. Seine Mutter richtete dabei noch lange ihren vorausschauenden, geschäftstüchtigen Blick auf die anfangs noch unerfahrenen Hände ihres einzigen Sohnes. Doch wurden diese Hände bald selbst sehr erfolgreich und brachten es fast spielend zu einem damals nicht alltäglichen Reichtum.

Seiner große Liebe zu außergewöhnlichen Kunstwerken, Skulpturen, Gemälden, alten Uhren und vor allem historischen Münzen und Medaillen aller Art, konnte Horn wohl ungehindert nachgehen. Geldsorgen gab es offenbar nicht. So konnte sich im Laufe der Jahre, eine in Fachkreisen oft mit ungläubigen Kopfschütteln bedachte Universalsammlung, die legendäre Horn-Sammlung entwickeln, welche Horn selbst immer weiter ausbaute.

In meinem Vortrag möchte ich Ihnen einen kleinen Einblick in das Leben der Familie Horn, speziell von Otto Horn geben. Da sein Vater und er selbst die gleichen Vornamen, also Ernst Otto trugen, werde ich Zwecks der besseren Unterscheidung, für den Kunstsammler, um den es heute und hier gehen soll, den Namen Otto Horn gebrauchen, welcher von 1880 bis 1945 in der Stadt Meißen lebte.

Kurz nach seinem Freitod, den er gemeinsam mit seiner langjährigen Haushälterin Minna Wolf im Wohnhaus Plossenweg 4 beging, also im Mai 1945, beendete er zwar sein irdisches Dasein, seine Sammlung dagegen erwachte zu einem neuen Leben. Otto Horns große Sammlung, sowie deren unzählige Geschichten, unbelegte Legenden und vieles mehr erhalten den Namen „Horn“ ja bis in unsere Tage hinein, weiter am Leben. Sie machten den Namen Horn noch postum zu einem Begriff. Aber, ist das nicht etwas ungewöhnlich und wie kam es dazu?

Nun, die Person Otto Horn nebst der Emma- und Otto-Horn-Stiftung sowie seine Sammlertätigkeiten sind ja eigentlich erst durch den jahrelangen Streit vor den Sächsischen Gerichten in das Interesse der überregionalen Öffentlichkeit gerückt.

Vorher war meist nur in Münzsammlerkreisen die „Horn-Sammlung“ ein Begriff. Doch was sich da so alles an Gold- und Silberstücken darin befand, war eher weniger bekannt. Alle Stücke der Sammlung lagen ja im Münzkabinett Dresden und waren nur für Forschungen zugänglich, was ja auch bei dem Umfange völlig normal ist. Ab und an hat man auch besondere Stücke thematisch geordnet in Ausstellungen präsentiert. Man kann sagen bis 1990 schlummerte die Sammlung mehr oder weniger friedlich.

Als der Streit nach der Wende entbrannte, machte sich natürlich auch die Boulevardpresse mit dicken Schlagzeilen ans Werk und plötzlich war da auch von einer Emma- und Otto-Horn-Stiftung die Rede, es ging um  kostbare Sammlungen im Werte von Millionen Euro oder wenigstens einem unschätzbaren Wert, welchen man nicht herausgeben wollte. Die Emma- und Otto-Horn-Stiftung selbst gab es allerdings schon lange und man muss im Kalender wieder einmal weit zurückblättern um mehr darüber zu erfahren.
Man fragt sich hier an dieser Stelle meist berechtigt, Stiftung in der DDR, ging und gab es das überhaupt?

Ja, es gab die Emma- und Otto-Horn-Stiftung in der DDR tatsächlich, doch gab es damals auch gleichzeitig immer wieder mehr als Stress mit der geerbten Münzsammlung.
Es gab auch Stress mit einer rechtmäßig gegründeten Stiftung, deren spätere Liquidierung und die Verstaatlichung der Sammlung, einer Reise nach Berlin, dann plötzlich die Rückführung der Münzen wieder nach Meißen und dann die weitere Reise zum vorläufigen Endpunkt nach Dresden in das Münzkabinett.

Weiteren Stress gab es in den Jahren auch immer wieder mit Fingern, die sich nebenher aus der Sammlung bedienen wollten. Ob man das auch wirklich tat, konnte bisher nicht abschließend geklärt werden, trotzdem ist ein gewisser, ich bezeichne es einmal vorsichtig als „Schwund“, in der Sammlung sowie der einst umfangreichen Bibliothek zu verzeichnen. Interessant auch dabei, dass sämtliche Goldmünzen aus der ehemaligen Sammlung bisher nie aufgefunden wurden. Sie sind eben weg, wie die einstigen Kandidaten der Nationalen Front.

Dazu hört man immer wieder eine Menge an unbelegbaren Legenden, wie zum Beispiel den kostbaren Münzen in der Jauchengrube auf dem Grundstück Plossenweg 4. Gab es sie dort wirklich oder nicht? Wir wissen es nicht!

Bestandteile der Universalsammlung waren nicht nur historische Münzen, sondern zum Beispiel auch eine Uhrensammlung und eine Skulpturensammlung.
Einige Stücke und Teile der Sammlung kamen natürlich auch in das Meißner Stadtmuseum und bereicherten dort so manche Ausstellung, das war im mehrseitigen Testament von Otto Horn auch so festgelegt. Eine angedachte Dauerausstellung mit Münzen aus der Sammlung in der Albrechtsburg Meißen schlug allerdings schon in den 1960ziger Jahren fehl.

Doch was ist nun an den ganzen Geschichten und Legenden um Horn wahr, was kann man als Fakten belegen und was sollte man eher weiter kritisch hinterfragen? War es überhaupt sinnvoll die gesamte Sammlung auseinanderzureißen, hätte man nicht wenigstens die Münzsammlung als Gesamteinheit bewahren sollen? Das sind Fragen, die uns wohl keiner beantworten kann oder eventuell auch will.

Doch kommen wir zunächst erst einmal auf das Leben von Otto Horn zu sprechen und dazu begeben wir uns zurück nach Meißen in das Jahr 1880. Viele Infos zu seinem Leben gibt Otto Horn selbst im selbstverfassten Lebenslauf, den er seinen Antrag auf den Hoflieferantentitel vorsorglich beilegt.

Otto Horn wurde am 4. Dezember 1880, als einziges Kind seiner Eltern in Meißen geboren. Der Vater, ein Bäckermeister und Konditor, betrieb in Meißen, in der Elbstraße 9, ein kleines Geschäft und war bereits ab 1876 als Weinhändler im Handelsregister der Stadt Meißen eingetragen.

Zusätzlich hatte der Vater seit dem Jahre 1880 den Königlichen Burgkeller auf der Albrechtsburg gepachtet. Otto verbrachte eine finanziell gut abgesicherte Kindheit in Meißen. Die Geschäfte seiner Eltern, die Mutter war gleichzeitig Teilhaberin des Weingeschäftes, liefen gut und am 4. März 1881 wurde sein Vater durch den beliebten König Albert von Sachsen zum Königlichen Hoflieferanten ernannt. Otto Horn besuchte ab 1887 die höhere Bürgerschule (heute eher bekannt unter Rote Schule) in Meißen und wechselte vier Jahre später zur Realschule mit Progymnasium am Neumarkt. Ostern 1896 verließ Otto Horn die Schule mit dem Reifezeugnis.

Es folgte eine kaufmännische Ausbildung in Dresden. Trotz des frühen Todes seines Vaters mit 53 Jahren im Jahre 1898, setzte er seine Ausbildung fort. Die Firma vom Vater wird nun allerdings in eine Offene Handelsgesellschaft umgewandelt.  Es folgten einige Jahre der Wanderschaft durch Deutschland, Frankreich, Spanien, Österreich und Italien. Otto Horn war in diesen Jahren bestrebt, sein Wissen im kaufmännischen Bereich, auf dem Spezialgebiet Weinhandel, zu erweitern.

Er erwarb sich dabei Spezialkenntnisse, oft war er daher als Küfer angestellt. Während seiner Wanderschaft bekam Horn erste Kontakte zur Kunst und Numismatik. Oft war er beeindruckt von den großen Preismedaillen, welche einige Winzer, für ihre Weine, auf den verschiedensten Gewerbeausstellungen erhalten hatten und nun präsentieren konnten.

Im Jahre 1904 trat Horn als Teilhaber in das Geschäft seines Vaters ein. Das Prädikat des Königlichen Hoflieferanten war bereits, nach entsprechendem Antrag, am 20. Januar 1899 auf seine Mutter übertragen worden. Für Horn folgte der Militärdienst, welchen er bei den Königlich-Sächsischen Schützen als Füsilier absolvierte. Er diente im Regiment Nr. 108, wurde allerdings nach einer Verletzung vorerst felddienstuntauglich und aus dem Dienst als Reserveoffizier entlassen.

Horn widmete sich nun verstärkt den heimischen Geschäftsbetrieben. Die Mutter hatte die Bäckerei und Konditorei des Vaters inzwischen verpachtet und das Vermögen der Familie durch den Kauf von Grundstücken kontinuierlich erweitert. Besonders der Erwerb von lukrativen Weinberggrundstücken in der Stadt Meißen trug dazu bei.

In dieser Zeit beginnt Horn mit dem Aufbau einer Sammlung von Kunstgegenständen, vor allem Münzen und Medaillen, den er über viele Jahre ohne einen erkennbaren Schwerpunk und breit gefächert, weiter betreibt. In die Sammlung werden unter anderem Gemälde, Uhren, Plastiken, Grafiken und immer wieder Münzen, mitunter scheint es fast, wahllos aufgenommen. Die Sammlung hatte keine Struktur. Dabei entsteht aber auch eine der wohl bedeutendsten privaten Universalsammlungen in Deutschland. Er engagiert sich besonders in seiner Heimatstadt Meißen, er wird Mitglied im Vorstand des Weinbauvereins, arbeitet im Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs, tritt 1917 dem Geschichtsverein bei und wird 1920 Vorstandsmitglied des Museumsausschusses von Meißen.

Im Jahre 1907 erwirbt Otto Horn als Kaufmann die Bürgerrechte der Stadt Meißen. Der systematische Ausbau des Geschäftes und auch die Ausweitung der Geschäftsfelder werden durch Horn erfolgreich vorangetrieben. Er erwirbt eine Likörfabrik am Baderberg 2, betreibt eine Kelterei und im Jahre 1908 übernimmt er die Kollektion der Königlichen Lotteriedirektion sowie die Königliche Altersrentenbank.

1912 erwirbt Horn die Weingaststätte Winkelkrug in Meißen, die wie die Weinstuben in der Elbstraße von einem Pächter betrieben werden. Dazu wird Horn noch vom Sächsischen Fiskus die Geschäftsstelle der Königlichen Brandversicherungskammer, Abteilung Mobiliar-Versicherung übertragen. Die geschäftlichen Erfolge, aber auch sein erworbenes Fachwissen im Weinanbau, verschaffen ihm einen guten Ruf in der Öffentlichkeit.

Er selbst vertritt im Jahre 1913 als Sachverständiger das Königreich Sachsen bei den Verhandlungen über ein neues Weingesetz im Reichsgesundheitsministerium. Im Ersten Weltkrieg dient er nun als Leutnant und Adjutant im Ersatz-Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 178 in Kamenz. Seine Mutter übernimmt in dieser Zeit erneut die Führung der Geschäfte. Am 15.10.1918 wird auch Otto Horn nach einem entsprechenden Antrag durch seine Mutter, später auch durch ihn selbst sowie einem regen Briefwechsel mit dem Oberhofmarschallamt durch König Friedrich August III. das Prädikat „Hoflieferant Seiner Majestät des Königs“ verliehen.

Seine Liebe zum Wein zeigt er besonders in seiner Freizeit und ist als Ritter „Most der Geklärte“ ein treues Mitglied bei den Sippungen der Meißner „Schlaraffia“. Im öffentlichen Leben gehörte er immer zur gehobenen gesellschaftlichen Schicht, er reist viel und verfasst Berichte über seine Reisen nach Marokko, Tunesien und Ägypten. Schon 1904 besitzt Horn ein Automobil und gehört in dieser Zeit zu den damals wirklich überschaubaren Kraftfahrzeugbesitzern im Königreich Sachsen. Trotz seiner zielstrebigen Geschäftstüchtigkeit bleibt er allerdings als Sammler ein Dilettant, da er noch immer ohne konkrete Ziele zu verfolgen alles sammelt was für ihn selbst selten, gut und teuer ist.

Erst als Mitglied der Numismatischen Gesellschaft in Dresden, bekommt er, wohl auch durch den Einfluss dortiger Mitglieder, einen zielorientierten Blick zur Numismatik und baut auch hier sein Wissen aus. Der Münz- und Medaillensammlung widmet er nun seine besondere Aufmerksamkeit und erweitert sie um viele Stücke.

Im Jahre seines Freitodes 1945, umfasste nur allein die Münz- und Medaillensammlung, einschließlich der historischen Siegel, einen Bestand von ca. 65.000 Objekten! Auch publizistisch wird Otto Horn tätig und es erscheinen zahlreiche Manuskripte über seine numismatischen Sammelobjekte. In Vorträgen berichtet er über seine Sammlertätigkeit. Unter Spezialsammlern bekannt und begehrt wird zum Beispiel das Buch „Die Münzen und Medaillen aus der Staatlichen Porzellanmanufaktur zu Meißen“, welches 1923 erscheint und lange Zeit, das einzige Standardwerk für Sammler ist. Noch heute gilt dieses Buch als Rarität.

Seine Grafik-, Gemälde- und Fotosammlung vervollständigt er in dieser Zeit in Bezug auf seine Heimatstadt Meißen. Dabei kommt es ihm vermutlich mehr auf die geschichtlichen Aussagen und weniger auf künstlerischen Wert an. Anfängliche finanzielle Interessen sowie ein kontinuierlicher Wertzuwachs stehen nun offenbar nicht mehr im Vordergrund. Zahlreiche Schenkungen, welche die Akten des Geschichtsvereins Meißen belegen, lassen die ausgeprägte Liebe zu seiner Heimatstadt spüren.

Im Jahre 1937 zog sich dann seine Mutter endgültig aus dem Geschäft ins Privatleben zurück. Vor und während des Zweiten Weltkrieges wird sich Otto Horn in keiner Weise politisch positionieren, seine gesamte Aufmerksamkeit widmet er dem Geschäft und seinen Sammlungen. Die meisten Abende verbringt er in seinem Haus am Plossenweg 4 mit seinen engen Freunden, dem damaligen Stadtarchivar Helmuth Kröger und dem Kunsthistoriker August Wilhelm Walter Hentschel. Dort wird gemeinsam versucht seine Münzsammlung übersichtlich zu ordnen und zu katalogisieren. Als seine Mutter im Jahre 1943 stirbt, zerbricht gleichzeitig das Band einer langjährigen geschäftlichen Partnerschaft und nicht nur die familiäre Bindung.

Otto Horn löst die bestehende Offene Handelsgesellschaft auf und verfasst ein umfangreiches Testament. Dieses Testament beinhaltete 63 Punkte. Eine eigene Familie hatte er bisher nicht gegründet, allerdings lebte er mit der Haushälterin Minna Wolf schon einige Zeit in einer vergleichbaren eheähnlichen Verbindung. Er lebt nun größtenteils zurückgezogen auf seinem Grundstück auf dem Plossen und hilft hin und wieder in den von ihm verpachteten Gaststätten aus.

Mit dem nahenden Kriegsende und der Bombardierung Dresdens im Jahre 1945, wuchs unter der Meißner Zivilbevölkerung und offenbar auch bei Horn, die quälende Angst vor einem Luftangriff auf Meißen. Zusätzlich sorgte die Sprengung der Meißner Elbbrücken für Verwirrung bei den Menschen. Diese allgemeine Unsicherheit, welche überall unter den verbliebenen Menschen von Meißen Verzweiflungstaten auslöste, muss auch ihn erfasst haben. Er änderte jedenfalls sein verfasstes Testament nochmals ab.

Bis zum Mai 1945 erhält sein Testament noch drei Nachträge und vier Zusätze. Die wichtigsten Punkte bleiben allerdings unberührt und werden von Horn nicht abgeändert. In seinem Vermächtnis übereignet er einer nach seinen Eltern benannten Stiftung einen Großteil seines Vermögens. Es handelt sich dabei um die nach seinem Tod zu gründende Otto-und-Emma-Horn-Stiftung. Am 7. Mai 1945 wählt er, wie schon erwähnt, im Haus Plossenweg 4 in Meißen, zusammen mit seiner Haushälterin Minna Wolf den Freitod.
In den Unterlagen vom Krematorium Meißen wird bei beiden als Todesursache „Erhängen“ genannt. Vorher stand im Register allerdings noch „Vergiftung“, dass wurde dann in „Erhängen“ korrigiert.

Ihre sterblichen Überreste wurden am 3. Juni 1945 um 10:00 Uhr hier im Krematorium eingeäschert. Warum man ca. einen Monat nach dem Tod die beiden Leichen erst kremierte, hängt auch sicherlich damit zusammen, dass man auch kurz nach dem schrecklichen Krieg, bei Suizidtanten noch spezielle Untersuchungen durchführte. Da in diesen Tagen, wie die Statistik belegt, Suizid unter der Bevölkerung fast alltäglich war, ist hier ein Vergleich der Liegezeit mit anderen Selbstmordfällen belegbar und entspricht auch dort ca. vier Wochen.

Die Urne von Minna Wolf wurde am 8. Juni 1945 im damaligen Kolumbarium vom Krematorium Meißen aufbewahrt, doch dann am 2. Oktober 1946 auf dem Stadtfriedhof Meißen beigesetzt. Die Urne von Otto Horn dagegen wurde erst am 19. November 1945 in die Familiengrabanlage der Familie Horn, hier auf dem Stadtfriedhof beigesetzt. Warum das so war, konnte bisher nicht geklärt werden. Die Horn-Grabstätte existiert allerdings noch heute.

Die Sammlung beginnt zu Leben

In den direkten Nachkriegsjahren kam es vorerst nicht zur Gründung der von Horn gewollten Stiftung, da erst neue Behördenstrukturen aufgebaut werden mussten. In der Sowjetischen Besatzungszone und in den ersten Jahren der jungen DDR galt es zunächst Hunger, Elend und Not zu bekämpfen. In dieser Zeit wurden der damalige Stadtrat Kmoch und später Paul Höndorf mit der Nachlassverwaltung beauftragt.

Grundsätzlich und so war es auch im Testament festgelegt, sollte die geplante Stiftung zur Stadtverschönerung von Meißen, zur Unterstützung des Stadtmuseums, aber auch für bedürftige Studenten und auch älteren Bürgern der Stadt dienen.

Besonders bei Paul Höndorf soll es in der Verwaltung der Sammlung zu „Unregelmäßigkeiten“, auf die man nicht näher eingeht, gekommen sein, welche 1948 sogar zu einer Anklage vor dem Amtsgericht Meißen führen sollten. Die Anklage nebst Verhandlung hatte allerdings keine rechtlichen Folgen für Höndorf. Und genau das wurde gerade in der Bevölkerung stark und lange kritisiert. In dieser Zeit wird auch ein langjähriger Freund von Otto Horn, der Stadthistoriker und Autor Helmuth Kröger verhaftet und zwei Jahre in sowjetische Lagerhaft genommen. Gerade Kröger galt als perfekter Kenner der Horn-Sammlung, da ja beide auch eng befreundet waren.
Im Jahre 1949, also im Gründungsjahr der DDR, gab es mit Helmut Reibig erneut einen neuen Nachlassverwalter. Außerdem wurde durch die Stadt Meißen ein Kuratorium gegründet, um noch zusätzlich eine breite Kontrolle über den Nachlass zu haben. Am 1. Oktober 1951 kam es dann zur Gründung der Otto-und-Emma-Horn-Stiftung durch das damalige Land Sachsen.

Da in der DDR existente Stiftungen wie Firmen behandelt wurden, mussten Erbschaftssteuern und auch Unternehmenssteuern an das Finanzamt abgeführt werden und das brachte die junge Stiftung ganz schnell in finanzielle Bedrängnis. Es kam zu Steuerschulden und die sich in der Stiftung befindlichen Immobilien konnten zeitgleich nicht mehr kostendeckend bewirtschaftet werden. Weiterhin kam es auch durch die Stadt Meißen zu Ankäufen aus der Sammlung, welche angeblich nur die Hälfte der ursprünglichen Schätzpreise einbrachten. Wer das damals zu verantworten hatte bleibt bis heute offen und ungeklärt. Die Steuerschuld wurde allerdings damit nicht gelindert und immer wieder kamen neue Steuerforderungen dazu.

Im Jahre 1954 wurde die Stiftung wegen einer Steuerüberschuldung von 590.000 Deutsche Mark durch die Stadt Meißen liquidiert. Aber durfte das eine Stadt überhaupt selbstständig entscheiden? Wohl nicht!

Das Verwaltungsgericht Dresden urteilte im Jahre 2007, dass die Stadt Meißen damals gar nicht dazu berechtigt war. Zuständig wäre das damalige Land Sachsen gewesen, denn hier wurde ja auch die Stiftung genehmigt. So wurde über 50 Jahre später die Wiederbelebung der Stiftung möglich und auch deren Ansprüche auf die Vermögenswerte der Stiftung waren nun wieder geklärt. Die Stiftung war demnach nie rechtswirksam liquidiert worden, sondern existierte weiter. Doch gehen wir vorerst wieder zurück in die1950er Jahre.

Was wurde aus der bedeutenden Münzsammlung und wohin ging ihr Weg? Zunächst reisten 1954 die Münzen als Leihgabe nach Berlin um im Berliner Münzkabinett, welches damals unter der Leitung von Prof. Suhle stand, aufgearbeitet zu werden. Hier sollte auch eine gute wissenschaftliche Ordnung hineingebracht werden. Zusätzlich sollten die Stücke aber auch vorerst die leeren Regale im Berliner Münzkabinett auffüllen, da dort die eigene Sammlung in die Sowjetunion verbracht worden war. Darüber gab es einen Vertrag zur Leihgabe. Hier blieb sie dann bis 1963. Nun, viel tat sich nicht.

Als dann glücklicherweise die Berliner Münzsammlung aus der UdSSR zurückkam, hatte man nun wieder genug Arbeit mit der eigenen Sammlung. Die Münzen und Medaillen gingen erneut auf Reisen und sollten nun im Dresdner Münzkabinett wissenschaftlich geordnet, erfasst und aufgearbeitet werden. Wiederum gab es darüber einen entsprechenden Leihvertrag mit der Stadt Meißen. Wieder passierte anscheinend wenig oder gar nichts. Denn schon in den 1980er Jahren bemühte sich die Stadt Meißen um eine Rückführung der Sammlung.

Welchen direkten Grund diese plötzliche Rückforderung hatte bleibt im Dunkel. Dabei gab es sogar Bemühungen den immer noch bestehenden Leihvertrag fristlos zu kündigen. Hatte man damals in Meißen einen besonderen Verdacht oder glaubte man die Sammlung in Dresden nicht mehr vor gierigen und devisenbeschaffenden Händen sicher genug? Auch das wissen wir nicht! Einen wichtigen Grund muss es aber trotzdem gegeben haben. Das Münzkabinett Dresden weigerte sich jedenfalls mit vielen Argumenten gegen eine Rückgabe. Das gelang dummerweise auch immer wieder erfolgreich. Bekam das Münzkabinett damals heimlich Rückendeckung oder musste man bereits entstandene Lücken in der Sammlung verheimlichen? Warum gab man die Sammlung nicht einfach zurück? Die Fragen sind interessant? Gestatten Sie mir an dieser Stelle ein kleines Abtriften vom Thema.

Denn wie schnell werden da heute Stimmen laut und man schimpft und schiebt dabei alles gleich auf die ehemaligen Devisenbeschaffer der DDR. Man schimpft auf die Leute, die dem eigenen Land großes Unrecht angetan haben, weil sie alles verkauften was etwas an Wert besaß, eben auch Kunstgegenstände und Münzen. Völlig richtig, doch muss man wie bei einer Münze auch die andere Seite betrachten. Das heißt demnach für mich, daran ist doch nicht nur eine Seite beteiligt gewesen, denn zum Deal gehören ja immer praktisch mindestens Zwei. Nämlich Käufer und Verkäufer. Wenn der Verkauf nach unserer heutigen Rechtsauffassung ein krimineller Akt war, wie verhält man sich dann gegenüber den Käufern? Wohin hat man denn verkauft? Woher die Verkäufer stammten und wer sie waren, kann man überall lesen, die Käufer der Ware bleiben dagegen im Kognito. Ich frage mich, warum werden solche Verkäufe, die man sicherlich noch nachvollziehen könnte, heute nicht wieder rückgängig gemacht? Fürwahr eine berechtigte Frage. Doch wieder zurück zur Hornstiftung.

Gleich nach der politischen Wende in der DDR wurden Stimmen laut, welche erneut eine Rückführung der Münzsammlung nach Meißen forderten. Nun begann erneut ein Streit um die Sammlung, der schließlich vor dem Bundesgerichtshof entschieden werden musste. 1998 dann das Urteil. Somit hatte die Stadt Meißen keinen Anspruch an die Sammlung zu stellen. Allerdings bemühte man sich zeitgleich in Meißen um eine Wiedererrichtung der Horn-Stiftung und stand im intensiven Kontakt mit der Stiftungsaufsicht des Landes Sachsen. Im Herbst des Jahres 1997 erfolgte bereits die Wiederbelebung der Stiftung. Wie schon erwähnt, hatte dessen Liquidation im Jahre 1954 ja nicht rechtswirksam stattgefunden, nun existierte sie wieder. Man staunt nicht schlecht, was da so alles möglich ist.

Zum ersten Stiftungsverwalter der Nachwendezeit, wurde 1998 der Stadtkämmerer Alexander Thomas berufen, welcher die ersten Schritte zur Rückgabe der Stiftungsimmobilien durch die Stadt Meißen einleitete. Es handelte sich dabei um die Grundstücke Baderberg 2 (das war die ehemalige Hornsche Likörfabrik und Weinkelterei), der Schloßberg Nr. 13 und 14 sowie die Elbstraße 11. Horns eigentliches Wohngrundstück am Plossenweg 4 bzw. Kapellenweg 3 sollte zwar ursprünglich und nach letztem Willen, in das Eigentum der Stadt Meißen übergehen, um als Wohnsitz des Oberbürgermeisters zu dienen. Doch wurde dieses Grundstück verkauft und ab 2007 vom nun privaten Eigentümer saniert.

Strittig waren die Meißner Immobilien Elbstraße 9 und 10 geblieben, die zwar einst auch Otto Horn gehörten, sich nun aber im Besitz des Bundes befanden. Über die verbliebenen Grundstücke wurde man sich schnell einig, sie wurden im Jahre 2000 grundbuchrechtlich in die Horn-Stiftung überführt. Ab Februar 2000 übernahm Tom Lauerwald die Stiftungsverwaltung, nachdem Alexander Thomas eine neue Arbeit in Dresden aufgenommen hatte. Nun galt es noch die Sicherung der Hornschen Sammlung sowie weiterer Vermögenswerte voranzubringen, um eine zumindest eingeschränkte Handlungsfähigkeit zu besitzen. Wieder musste geklagt werden und wieder ging der Stiftung wertvolle Zeit verloren, da das Verfahren erst im Jahre 2007 vor dem Verwaltungsgericht Dresden eröffnet wurde.

Mit einem Urteil kam es zu einer finanziellen Entschädigung für die Immobilien Elbstraße 9 und 10. Eine Entscheidung, man kann es auch einen Vergleich nennen, über die Münzsammlung gelang erst etwas später im Jahre 2011. Demnach durfte das Münzkabinett Dresden wichtige Teile der Sammlung erwerben. Ein Vertrag mit dem Freistaat Sachsen wurde dazu abgeschlossen. Er regelte die Münzübernahme und die Zahlung von 500.000 EUR in Ratenzahlung bis 2014. Zudem erfasste das Münzkabinett Dresden bis Ende 2013 nun endlich die komplette Münzsammlung von Otto Horn. Und diese Tatsache muss man sich einfach einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Es stellt sich da wohl die wirklich wichtige Frage: „Was hatte man denn bisher mit dieser Sammlung dort gemacht? Eine umfangreiche Münzsammlung, die per Leihvertrag schon im Jahre 1963 im Münzkabinett Dresden ankam. Man sollte sie dort wissenschaftlich genau einordnen und erfassen. Da lagen einfach einmal ca. 60.000 historische Münzen über 50 Jahre hoffentlich auch in den Tresoren vom Münzkabinett Dresden und keiner wusste was es eigentlich alles ist? Oder wusste man es ganz genau und stellt sich erst heute dumm? Nee, Leute, vergesst es, ich will es einfach nicht aussprechen! Jeder soll sich hier darüber selber den Kopf zerbrechen. Eine Antwort wird man kaum darauf finden.

Das ist wie in der folgenden Rechenaufgabe:
Also, ja, hier vorne, rechne doch eemal 1963 Meter geteilt durch 2013 Kilo. Da kummste einfach nie druff! Der beachtliche Rest der Münzsammlung kam dann in mehreren Versteigerungen, bei einem renomierten Auktionshaus unter den Hammer und spülte weitere Euros in die Kassen der Stiftung.

Was wurde aber aus den anderen Sammlungen. Auch hier gab es bis auf wenige Ausnahmen Einigung. Im Stadtmuseum Meißen, wurde als Stiftungsvermögen die Hornsche Plastiksammlung, die Uhrensammlung, die Plakettensammlung und die Zinnsammlung untergebracht. Das entspricht gleichzeitig auch dem im Testament verfassten „Letzten Willen“ von Otto Horn. Die Horn-Stiftung selbst geht seit Jahren ihren von Horn verfügten Aufgaben nach und berichtet öfters in den Medien darüber. Die Stadt Meißen selbst bekommt ja auch ein schönes Stück vom Kuchen ab, denn Gelder der Stiftung fließen ja auch in andere Projekte.

Hier könnte man durchaus sagen: „Friede, Freude, Eierkuchen“ oder „Wenn sie nicht gestorben sind…“ Ja, wenn da nicht das Wörtchen „WENN“ wäre. Denn so rosig ist es ja nun auch nicht bestellt. Wissen Sie was ich meine? Jeder hat doch einen Löffel Sahne bekommen. Nur einer nicht, weil er schon Tod war.

Während sich alle um einen Tisch gesetzt und die Klecker-Servietten umgebunden hatten, ging es mit der letzten Ruhestätte des immer wieder gelobten Mäzen und Gönner der Stadt Meißen, dem begnadeten Universalsammler, dem großen Numismatiker aus Meißen immer weiter bergab. Sammler, welche durch die großen Münzversteigerung auf diesen wirklich außergewöhnlichen Numismatiker aufmerksam wurden, kamen nach Meißen um seine Grabstätte zu besuchen und waren entsetzt! Meterhohes Unkraut und mit Efeu überwucherte Namensplatten sind hier leider ganzjährig eine besondere Attraktion geworden. Na klar, was nützt uns noch ein Toter, der liegt doch hier nur rum und macht nichts.

Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, meiner Frau und mir ging das schon seit man sich nach der Wende mit dem Erbe von Otto Horn befasste und stritt, auf den Wecker. Auf der einen Seite redete man über Millionen von Euro, auf der anderen Seite die verwahrloste Grabstätte des Gönners.
Ich fragte mich immer wieder: „Gehen die über Leichen?“ „Ja, muss wohl so sein.“ Denn keiner kümmerte sich um diese Grabstätte. Nach einem Artikel von mir in der SZ kam etwas Bewegung in diese traurige Angelegenheit, so glaubte ich damals. Man fragte in der Grabpflegeangelegenheit bei der Stadt Meißen und der Stiftung selbst an. Aber da sah sich keiner in der Pflicht und versteckte sich hinter angeblichen Testamentsverfügungen und eine Satzung, na ja und Geld zur Pflege hatte auch keiner. Fazit es blieb bei dem Unkraut.

Ich denke, man kann sich nun einmal nicht hinter Satzungen und einem angeblichen letzten Willen verstecken, wenn es um die noch Gott sei Dank erhalten gebliebene historische Grabstätte der Familie Horn geht, in der auch Otto Horn seine letzte Ruhestätte 1945 gefunden hat.

Fakt ist doch vielmehr, die Grabstätte blieb uns aus welchem Grund auch immer erhalten, doch mit welcher Ignoranz gehe wir heute damit um? Wo bleibt das immer wieder skandierte Gedenken, wo blieb der Wille zur Ehre? Und so war dann der Zustand 2018.

Dreht sich alles nur noch um die Frage wer die Kosten für den würdigen Erhalt eines Grabes übernimmt und wer dazu die Arbeiten ausführt?

Ich möchte daher meinen Vortrag über den Meißner Universalsammler Ernst Otto Horn mit den lateinischen Worten:

HABENT SUA FATA SEPULCRIS, was übersetzt heißt „Gräber haben ihr eigenes Schicksal“, beschließen.

Natürlich mit der Hoffnung verbunden, dass es hier auch bald eine dauerhafte würdige Lösung geben wird. Ob das gelingt und ob wir das mit einem alten oder gar neu gewählten Oberbürgermeister der Stadt Meißen erleben können, wird auf alle Fälle erst nach der Veröffentlichung der Wahlergebnisse bekannt sein.

Noch etwas, wer von Ihnen Interesse an einem Kurzrundgang durch die Räume vom Krematorium Meißen hat, der hat die Gelegenheit gemeinsam mit dessen Geschäftsführer Jörg Schaldach, das jetzt zu tun. Treffpunkt ist hier vorn am Rednerpult.

Wer dagegen die Grabstätte der Familie Ernst Otto Horn besuchen möchte, der kann sich meiner Frau und mir anschließen. Treffpunkt ist in ca. zehn Minuten vor der Trauerhalle.

Allen Anderen wünsche ich noch einen schönen Sonntag und eventuell treffen wir uns hier am 4. November 2018 um 15:00 Uhr wieder, wenn es um die Geschichten über die vielen Porzellanglockenspiele aus der Manufaktur Meißen geht.

Bis dahin wünsche ich gutes Gelingen Ihr Reiner Graff.

3. Vortrag „Wenn Weißes Gold erklingt – Die Porzellanglockenspiele der Manufaktur Meißen“

Wenn Weißes Gold erklingt

Die Porzellanglockenspiele der Manufaktur Meißen

Diesen Vortrag möchte ich den ehemaligen drei Künstlern Emil Paul Börner, Max Hermann Dietze und Ernst Fritz Gottschling aus der Porzellanmanufaktur Meißen widmen. Ihnen und auch noch anderen hier ungenannten Meisterschülern ist es gelungen dem Meißner Porzellan eine Stimme zu geben.

Ich möchte Sie alle herzlich zu meinem dritten Vortrag im Jahre 2018 recht herzlich begrüßen, wenn es heute speziell um die Porzellanglockenspiele aus der Porzellanmanufaktur Meißen geht.

Denn, vor einigen Jahren, ging ich im Herbst, es nieselte leicht, über den Marktplatz in Meißen. Es war einer der eher unangenehmen Tage, denn nicht nur der feine Regen animierte die Menschen ihrem Ziel schneller zuzueilen, nein auch der böige Wind half ihnen dabei. Jeder sehnte sich nach einem trockenen warmen Ort. In der Nähe vom Hirschhaus geschah dann wohl das kleine Wunder, welches in mir noch bis heute nachwirkt.

Vom Turm der Frauenkirche schwangen plötzlich die zarten Töne des Chorals „Wir treten zum Beten“ auf den nassen Marktplatz herab. Die wenigen Leute, welche sich bei dem herbstlichen Wetter draußen aufhielten, wurden plötzlich langsamer, drehten sich neugierig um, ja blieben stehen. Alle blickten gebannt am Turm der Frauenkirche herauf. Nur ein älteres Ehepaar zog eng aneinandergeschmiegt und durch einen Schirm geschützt weiter von Schaufenster zu Schaufenster. „Aha, dachte ich fast laut, das sind Meißner!“

Die Gespräche der ringsum Stehenden waren abgeebbt, alles blickte empor, lauschte dem Glockenspiel und registrierte nicht einmal, dass gerade das eigene Gesicht nass wurde. Der Schirm wurde nun spontan dazu eingesetzt das kostbare I-Phone zu schützen, dass man bei dem starken Wind versuchte in Richtung der Porzellanglocken zu navigieren. Ich mischte mich schnell und neugierig zwischen die Touristen, welche mich schweigend und andächtig nach oben blickend, gar nicht bemerkten. „So also funktioniert Entschleunigung!

Schon wenige Momente später kehrte der Alltag zurück und wie bei Dornröschen erwachte nun alles wieder zum Leben. Ein besonderes Musikinstrument hatte es geschafft, für Augenblicke die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen und zu verzaubern. Ja, man kann durchaus von einem Zauber sprechen, der die Menschen ergreift, wenn Weißes Gold erklingt.  

Und diesen Zauber kann man heute in vielen Städten von Deutschland, in Europa und sogar in Asien immer wieder hautnah erleben. Überall das gleiche Bild. Menschen bleiben plötzlich stehen, verstummen und lauschen dem Klang der Melodien. Dabei sind Kirchenlieder offenbar die Seltenheit, denn vorwiegend werden bekannte Volkslieder und typische Weisen einer Region vorgetragen, die sogar je nach Jahreszeit angepasst werden können. Gespielt werden je nach Umfang des Glockenspiels dabei Klassik, Volkslied, Weihnachtslied, auch eigene Kompositionen und wenn es gewünscht wird, sogar Hardrock von ACDC! Vieles ist möglich.

Einige Wochen später in Dresden, mittags im Zwinger. Wieder erklang mit zarter Stimme ein Glockenspiel und wieder bot sich das gleiche Bild, faszinierte Menschen blieben stehen blickten nach oben auf den Glockenspielpavillon. Ringsum blieb wieder die Zeit stehen und es kehrte Ruhe ein, nur das Glockenspiel war zu hören. Ich stellte mir die Frage, wo denn überall auf der Welt noch weitere Glockenspiele aus Meißner Porzellan zu hören sind und begann darüber nachzudenken. Mir fiel spontan noch das Glockenspiel im Park von Bärenfels im Erzgebirge ein und, na klar, auf dem Hof der Porzellanmanufaktur Meißen stand ja auch ein Glockenspiel. Gab es das noch?

Nun wurde ich neugierig und noch am selbigen Abend schrieb ich meine Anfrage an die berühmte Manufaktur in Meißen. Wer konnte es denn besser wissen als der Hersteller selbst. Allerdings konnte oder wollte man mir dort nicht helfen. Wenigstens lenkte man dort meine Aufmerksamkeit auf zwei einzigartige Bücher, welche einmal vor Jahren über die Porzellanglockenspiele erschienen sind. Die Manufaktur selbst gab mir lediglich die Auskunft, dass man im Archiv keine Aufstellungen oder gar Übersichten hat, die belegen können, in welche Orte denn überhaupt einmal Spiele dieser Art geliefert wurden. Auch über die Funktion der einzelnen Spiele selbst gab es keine Auskunft. Leider!
Dabei gibt es ja stimmbare Porzellanglockenspiele erst seit 1929! Meine Neugier wuchs, denn was passierte hier? Zum einen, ziehen tagtäglich auf der Welt, solche Wunderwerke aus Meißen die Menschen in ihren Bann und zum anderen, kann man heute nicht sagen, wo man denn Porzellanglockenspiele aus Meißen antreffen kann? Hier musste Abhilfe geschaffen werden! Als gebürtiger Meißner wusste ich natürlich, dass man das erste Glockenspiel im Jahre 1929 an der Frauenkirche am Marktplatz installierte, doch wie kam es dazu und war dieses Glockenspiel wirklich das Erste überhaupt?

Eine lange Zeit der Recherche begann, dabei traf ich auf Menschen, die ähnlich dachten und mich in jeder Hinsicht unterstützten. Zeitgleich traf ich aber auch auf Ratlosigkeit, Kopfschütteln, manchmal sogar auf berechtigte Angst. Auf alle Fälle wurde es eine ergiebige Pilgerreise, die meine liebe Frau und mich durch ganz Deutschland und auch in einige Länder Europas führen sollte. Überall trafen wir auf begeisterte Menschen, denn auch solche Porzellanmusik, wurde inzwischen eine internationale Sprache die Völker vereint. Zunächst einmal besorgte ich mir die beiden einzigen Bücher, welche sich mit dem Thema „Porzellanglockenspiele aus Meißen“ befassten. Den Grundstein legte dazu natürlich wieder einmal ein Meißner Bürger.

Helmut Dämmig, hat im Jahre 1987 in seinem informativen Buch „Meißner Porzellanglockenspiele“ erstmals versucht, die ihm damals bekannten Spiele zu beschreiben und aufzuführen. Doch diesen Grundstein hat er nicht alleine gelegt, denn auch im damaligen zweiten Deutschland gab es ja zahlreiche Freunde von Porzellanglocken. Mit Annelene Raasch aus der Hansestadt Bremen, bekam Helmut Dämmig kräftige Unterstützung aus dem Westen. Annelene Raasch wurde damit sozusagen das konspirative Kontaktbüro westlich der Elbe. Sie bereiste mit ihrem Mann den anderen Teil Deutschlands und auch Österreich, also Orte, welche stolze Besitzer eines Glockenspiels aus der Manufaktur Meissen waren, um weitere Einzelheiten darüber zu erfahren.

Wie schlimm die Situation 1987 zwischen den beiden Deutschen Staaten war, lässt sich ahnen, da der Name Annelene Raasch im Buch von Helmut Dämmig, nicht erwähnt werden durfte. Es gibt darin auch keinerlei Hinweise auf diese konstruktive Zusammenarbeit über Mauer und Stacheldraht hinweg. Noch vor einigen Tagen hatte ich die Gelegenheit mit der heute, über achtzigjährigen Bremerin zu sprechen. Sehr lebhaft und mit norddeutschem Humor, berichtete sie mir über die vielen Erlebnisse, welche Sie auf der Suche nach Porzellanglockenspielen hatte. Sie bezeichnet sich selbst noch heute als „Meißner Kind“, obwohl sie ja in Bremen geboren wurde.

Auch diese Begebenheit soll hier kurz benannt werden. Annelene Raasch kam am Anfang der 1940er Jahren, als der Zweite Weltkrieg nun auch deutsche Städte nicht mehr verschonte, als kleines Mädchen nach Meißen. Fort von der Mutter die ausgebombt war, kam Annelene Raasch mit der „Kinderlandverschickung“ nach Meißen und wohnte viele Jahre bei ihren Pflegeltern im Goldgrund. Bereits als Kind liebte sie das Meißner Glockenspiel am Markt über alles, weil dessen Klang sie so sehr an ihre Heimatstadt Bremen und ihre Mutter erinnerte. Wie wir wissen, seit 1934 gab es ja auch ein Glockenspiel in der Bremer Böttgerstraße. Porzellanglocken sind für sie bis heute etwas ganz Besonderes geblieben.

Noch heute spricht sie gern über die Zeit als ihr Buch entstand und mit Hochachtung erinnert sie sich dabei auch immer wieder an die gute Zusammenarbeit mit Helmut Dämmig, der leider schon verstorben ist.

Auch nach der Wende und der Wiedervereinigung Deutschlands gab es für beide kein anderes Thema als ihre Arbeiten zu Porzellanglockenspielen aus der Manufaktur Meißen weiter zu vervollständigen. Und es ist kaum verständlich, denn auch nach der politischen Wende gab es kaum Hilfe von Seiten der Manufaktur. Annelene Raasch recherchierte gemeinsam mit ihrem Manne weiter und dadurch konnte im Jahre 1994 das Buch „Glockenspiele aus Meißner Porzellan“ erscheinen. Darin ging die Autorin noch intensiver auf die Geschichte und die Herstellung von Porzellanglocken ein. Zudem gab es in Anknüpfung an das Buch von Helmut Dämmig, eine ausführliche aktualisierte Übersicht der Spiele. Mit diesen beiden einzigartigen Büchern sind leider auch die Literaturquellen erschöpft. Neben einigen Kurzaufsätzen für Zeitungen, Broschüren, etc. kann man kaum Informatives zum Thema finden.

Es war also höchste Zeit, endlich einmal an beide Bücher anzuknüpfen und eine Übersicht der Porzellanglockenspiele aus der Manufaktur Meißen zu schaffen, ständig zu aktualisieren und vor allem dem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Aber wie? Ein Buchprojekt kam vorerst nicht in Frage. Meine Idee zum Thema, erntete bei zahlreichen Verlagen, welche ich z. B. auf der Leipziger Buchmesse ansprach, nur ein müdes Lächeln. Ob Ost ob West, Kein Interesse! Es sei denn, ich würde alles selbst finanzieren.

Dank dem Internet ist ja heute vieles möglich und die Wikipedia schien für mich auch ein Projekt zu sein, welchem ich mein inzwischen zusammengetragenes Wissen über Porzellanglockenspiele anvertrauen konnte. Anfang November 2016 begann ich den Rechner der Wikipedia mit meinem Wissen zu füttern. Am 16. Dezember 2016 ging dann der Lexikon-Artikel „Porzellanglockenspiel“ online und wird nun ständig ausgebaut und aktualisiert. Wichtig für mich dabei, dieser Artikel ist für jedermann kostenlos abrufbar. Doch ist die Wikipedia als Nachschlagwerk, also ein Lexikon zu verstehen. Einzelheiten, Besonderheiten und Begebenheiten, sind dort nicht erwünscht. Ein Buch darüber wäre daher eine wirkliche Bereicherung.

Doch wie und wann kam es eigentlich zur Idee, das erfundene Porzellan auch zum Klingen zu bringen? Dazu muss man sich zurück in die Zeit von Böttcher und Tschirnhaus begeben. Denn bereits 1712 berichtete Johann Friedrich Böttger seinem Landesherren August dem Starken, dass er neben vielen anderen Gegenständen aus Porzellan, auch „Klocken–Spiehle“ herstellen könne. Entsprechende Versuche fanden aber nicht statt.

Spielbare Instrumente gibt es seit 1737 und bisher nur aus Meißner Porzellan. Versuche anderer Manufakturen, derartige Glocken oder gar Glockenspiele aus Porzellan herzustellen hat es gegeben, sie blieben alle bislang ohne Erfolg. Dabei sind Porzellanglocken klöppellose Glocken, die meist von außen angeschlagen werden. Es gibt dazu auch bisher nur zwei Ausnahmen die mir bekannt wurden. Beim heute nicht erhaltenen Spiel in Meerane wurden aus Platzgründen die Glocken von innen angeschlagen. Auch beim Spiel im finnischen Pyhäjärvi ist das noch heute der Fall.

Die ersten Versuche, ein Glockenspiel aus Meißner Porzellan herzustellen, unternahm im Jahre 1731 der Modelleur der Porzellanmanufaktur Meißen, Johann Joachim Kändler. Ein von Kändler 1737 entstandenes Glockenspiel war zwar spielbar, allerdings war eine direkte Abstimmung der Glockenkörper nicht möglich.
Ursprünglich formte man die einzelnen Glocken auch noch in Schüssel-, Kummen- oder Becherform aus. Kändler bekam damals viel Kritik, denn er musste für das geplante Spiel mit 52 Glocken ca. 7800 Glocken drehen lassen. Ein großer Aufwand also und kaum Nutzen. Das Ergebnis war einfach nicht optimal, da die Glocken sich beim Brennvorgang stark verzogen hatten. Außerdem waren die damalige Glockenform, die Wandstärke sowie der Anschlagmechanismus noch nicht ausgereift und deshalb schwer beherrschbar. Die Akustik des Spiels war dadurch eher unbefriedigend.

Trotzdem blieb dieses Glockenspiel im Schrankformat erhalten und man kann es im Porzellanmuseum, im Dresdner Zwinger, noch heute erleben. Im Jahre 1740 schuf Kändler im Auftrag von Graf Heinrich von Brühl ein kleineres Tisch-Porzellanglockenspiel mit 48 Glocken in Schalen- und Becherform. Ein weiteres Glockenspiel entstand 1741. Dabei waren die einzelnen Glocken bereits farblich dekoriert und trugen das Wappen der Gräfin Brühl-Kolowrat. Im Inventarium des Reichsgrafen von Brühl vom 1. Oktober 1753 ist jedenfalls auch ein Glockenspiel aufgezeichnet, ohne näher darauf einzugehen. Später werden nur noch Teile vom einstigen Tisch-Glockenspiel in Weimar auftauchen.

Wie eben erwähnt, konnten auch hier keine befriedigenden Ergebnisse erzielt werden. Nach weiteren missglückten Versuchen hat man dann die Herstellung von Porzellanglockenspielen, mit Ausnahme einzelner Tischglocken, eingestellt. Im 18. Jahrhundert waren also solche Spiele klangtechnisch noch mangelhaft und deren Herstellung wurde daher nicht weiterverfolgt. Erst 1922 sollte das Problem langsam gelöst werden, denn im April 1922 gibt es in der Dresdner Volkszeitung einen kleinen Artikel, der näheres dazu berichtet. Ich zitiere einmal:

Die langjährigen Versuche der Meißner Porzellanmanufaktur, Kirchenglocken aus Porzellan herzustellen, sind jetzt geglückt. Die Stadtkirche in Meißen wird in diesem Sommer ein Glockenspiel von 60 Glocken erhalten. Die größte Glocke wird eine Höhe von 70 und einen Durchmesser von 50 Zentimeter haben. Der bekannte Meißner Keramiker Börner hat die Formen geschaffen. Die Glocken werden allegorische Gestalten aus der christlichen und meißnischen Geschichte zeigen und mit Malereien in Rot und Gold geschmückt sein.

Nun, da hatte man wohlmöglich etwas vorgegriffen, denn es dauerte trotzdem noch einige Jahre. Obwohl es ein kleiner Hinweis darauf ist, dass man sich in der Manufaktur auch schon 1922 dieser Problematik wieder annahm, spricht Prof. Emil Paul Börner und auch Max Hermann Dietze offiziell von 1926. Das Jahr 1927 wird benannt als das Jahr, in dem man das Problem der harmonischen Abstimmung der einzelnen Glocken nun auch in den Griff bekam.

Man muss heute der Tatsache ins Auge blicken, dass man in den modernen Publikationen meist die entscheidende Arbeit der musikalischen Seite leider immer noch übergeht und schnell Börner allein als Erfinder dastehen lässt, was so nicht richtig ist. Börner selbst schreibt in einer Publikation von 1933, dass er es allein gar nie geschafft hätte, und es nur durch entscheidende Hilfe seiner Schüler Dietze und Gottschling überhaupt möglich war, „dass widerspenstige Material“ zum endgültigen Ergebnis zu führen!

Fakt ist daher und so muss es richtig heißen: Nach den Weiterentwicklungen des Modelleurs Emil Paul Börner und weiteren Meistern des Porzellans wie Max Hermann Dietze und Ernst Fritz Gottschling, konnten ab 1927 die Glocken gestimmt werden. Es soll auch an dieser Stelle erwähnt werden, dass die beiden Künstler wegen ihres Glaubens, sie waren beide Zeuge Jehovas, im Nationalsozialismus verfolgt, eingesperrt und schließlich ermordet wurden. Zwei Stolpersteine erinnern heute am Glockenspielpavillon im Dresdner Zwinger an diese beiden Künstler. Eventuell könnte man auf dieser Art auch in Meißen der beiden Künstler gedenken.

Pünktlich zur 1000-Jahr-Feier konnte am 1. Juni 1929 das erste stimm- und spielbare Porzellanglockenspiel, durch den damaligen Generaldirektor der Manufaktur, Max Adolf Pfeiffer, übergeben werden. Die Dresdner Neueste Nachrichten schrieben darüber am 4. Juni 1929:

Abends um 6 Uhr stehen die Menschen in dichten Zeilen auf dem Markt. Die Mützen der Afraner leuchten. An den Fenstern Kopf neben Kopf. Vom Bahnhof her kommen die Züge der Fremden. Heimatvereine mit Fahnen. Die guten frischen Gesichter der alten Bäuerinnen – wie manche kommen nach langen Jahren in der Fremde wie zu einem Heimatfest – strahlen und staunen.

Dann klingen sechs Schläge aus dem umgrünten Turm der Stadtkirche. Fern summt das Geläute des Doms. Nun klingt zart und silbern das geheimnisvolle Spiel der weißen Glocken, die droben im Turm aufgereiht hängen. Als ob ein leichter Wind sie berührte, so zittern sie beim Klingen. Die gekreuzten Kurschwerter der großen Glocke in der Mitte sind weithin erkennbar.

Die Glocken aus Meißner Porzellan spielen das Reformationslied „Ein feste Burg“. Nie bisher wurde das Lied, das oft und oft in den alten Mauern erklang, so gehört.
Es ist eine sehr zarte Stimme im Gewühl des Marktes. Wer sie recht verstehen will, muß in die Stille der „Roten Stufen“ gehen. Oder muß den großen Lärm der Tausendjahrfeier ein wenig verebben lassen.

Seit 1929 haben viele kleinere und auch größere Porzellanglockenspiele die Manufaktur in Meißen verlassen und werden zu unterschiedlichen Zwecken genutzt. Anlagen, die nur mit wenigen Porzellanglocken betrieben werden, stellen oft ein Bindeglied zwischen Porzellangeläuten und Porzellanglockenspielen dar. Dabei spielen Glockenanzahl und Tonumfang eine wichtige Rolle. So bestehen Porzellangeläute nur aus drei bis maximal fünf Glocken. Solche Geläute haben zwar meistens nur eine Signalfunktion, werden aber oft auch als „Spiel“ bezeichnet. Ab sechs Glocken wird dann allerdings immer von einem Porzellanglockenspiel gesprochen.

Nun fragt man sich sicherlich auch berechtigt, warum wählt man eigentlich Porzellanglocken, warum keine Glocken aus Metall? Glocken aus Metall gibt es ja schon seit einer Ewigkeit und haben sich ja auch immer bewehrt! Man kann hier ganz schlicht und einfach antworten, des Klanges wegen! Natürlich muss man auch den Gewichtsunterschied zwischen Metall und Porzellanglocken betrachten, denn der ist erheblich.

Nicht jeder Turm und nicht alle Gebäude sind so ohne weiteres für ein Metallglockenspiel geeignet, jedenfalls statisch gesehen! Und soll der Tonumfang mehrere Oktaven umfassen, auch dann ist man mit Porzellanglocken aus Meißen auf einer sicheren Seite. Und wenn es fast unglaublich klingen mag, doch besitzt das Meißner Porzellan eine solche Stabilität, die man bei diesem Werkstoff gar nicht vermutet, denn die Strapazierfähigkeit von Meißner Porzellanglocken ist enorm.

Um das alles noch besser zu verdeutlichen, dazu muss man sich die wichtigsten Grundeigenschaften von Meißner Porzellan, noch einmal genau benennen: Der fertige Scherben ist in keinster Weise mehr aufsaugend, nimmt also keine Flüssigkeiten mehr auf, außer das was man in eine Tasse gießt um es zu trinken. Er ist säurebeständig, temperaturunabhängig, er entspricht allen hygienischen Anforderungen und ist zudem noch ein hervorragender Isolator. Und all diese positiven Eigenschaften kann man auf einen Punkt bringen, indem man sagt, dass ist Weißes Gold!

So, und nun kommen wir natürlich auch zu dem berühmten Wörtchen „ABER“ und aber wird ja meist eingesetzt, wenn dann etwas auch ganz anders laufen kann, denn die Porzellanglocke selbst ist durch die umfangreiche Forschungsarbeit in den 1920er Jahren zwar vom Tone her und in Form, Größe sowie Wandstärke, vorstimmbar geworden, aber welche Klangeigenschaft sie einmal haben wird, dass erfährt man auch noch heute erst nach dem Brande. Der Scherben selbst bewahrt also noch einige Geheimnisse für sich und gibt sie nicht preis. Und so ist es eben eine Kunst geblieben Porzellanglocken herzustellen und man wird wohl noch einige Zeit weiter am Brennofen hoffen und bangen müssen, dass die entsprechende Glocke auch gelingt.

Wie gestaltet sich denn nun die Herstellung der Porzellanglocken selbst? Die weiße Porzellanmasse aus Kaolin, Quarz und Feldspat wird durch Druck mit den Händen des Porzellandrehers in die Form einer Glocke gebracht. Diese ähnelt dann meist der eines Zuckerhuts oder eines Bienenkorbes. Dabei entsteht aus freier Hand ein vorgeformter Hubel.

Beim Walken und Formen auch Massestoß genannt, werden zeitgleich letzte Lufteinschlüsse entfernt. In einer Gipsform erhält die Glocke auf einer rotierenden Scheibe und mithilfe einer Schablone ihre erforderliche Wanddicke sowie die endgültige Gestalt. Wieder aus der Form, wird die Rohglocke mit einem Schwamm überglättet, damit die Glasur später besser haftet. Nun werden die vorgeformten Glockenhenkel mit einer wasserverdünnten Porzellanmasse angebracht. Die Rohglocke kommt nochmals für ca. eine Stunde in eine Gipsform, dabei wird ihr Feuchtigkeit entzogen.

In einer zweiten Variante der Herstellung wird die fertige Porzellanmasse direkt in die Gipsform gegossen. In beiden Fällen kommt nach dem Trocknen die Glocke in den Brennofen und muss zwei Brennprozesse bei 900 bis 1000 bzw. 1350 bis 1450 Grad Celsius durchlaufen: den „Glühbrand“ und den „Gutbrand“.

Die Glocke muss dabei ohne Kern und Mantel freistehen und sich im Brennraum selbst tragen. Während des Brennens schmelzen die Flussmittel Quarz und Feldspat und verbinden sich mit dem gesinterten Kaolin. Nach dem ersten Brennvorgang bezeichnet man den Rohling dann als „Scherben“. Der einmal gebrannte Scherben wird in eine Glasurmasse getaucht, deren Zusammensetzung genau den Anteilen im Porzellan entspricht. Beim Sinterungsprozeß im „Gutbrand“ schwindet der Porzellanscherben in seiner geformten Größe um rund ein Siebentel, außerdem neigt die Masse zu Deformierungen.

Die einzelnen Glocken aus Hartporzellan mit glasierter Oberfläche werden in der Glockendreherei der Meißner Manufaktur in sieben Grundformen gefertigt und bilden einen Basissatz. Dabei hat die „Grundform 1“ ca. 15 Zentimeter Höhe und die „Grundform 7“ ca. 70 Zentimeter Höhe. Mit diesem Satz lässt sich, durch entsprechende Intonation, eine Tonleiter erzeugen. Porzellanglocken wiegen zwischen 300 Gramm und 3 Kilogramm. Die jeweilige Schwingdauer der einzelnen Porzellanglocke ist, wie schon erwähnt, immer erst nach dem Brand feststellbar. Es gibt demnach „Langschwinger“ oder „Kurzschwinger“.

Und genau das ist für ein mehrstimmig geplantes Spiel von großer Wichtigkeit. Es können von den Grundformen durch Abschneiden oder Abschleifen des Glockenrandes, gemeint ist dabei der untere Rand, alle Zwischentöne hergestellt werden. Die Porzellanglockenspiele können mit ihrer Tonskala über vier Oktaven reichen. Im Intonationsraum der Manufaktur werden die Glocken durch Musiker einzeln gestimmt. Die Glocke wird an einem Probierständer hängend angeschlagen und der erklingende Ton als Anhaltspunkt genutzt, ob und wie viel Material noch vom Glockenrand ringförmig abgeschnitten oder abgeschliffen werden muss. Die Glocke kann bis zu zwei Ganztöne höher gestimmt werden. Anschließend erfolgt noch eine Feinabstimmung, bei der erneut durch Abschleifen von hundertstel Millimetern am Glockenrand die erforderliche Schwingungszahl erreicht wird.

Obwohl diese Feinabstimmung durchgeführt werden kann, müssen für jeden Ton immer mehrere Porzellanglocken zur Auswahl vorrätig sein. Zudem ist nur ein kleiner Spielraum vorhanden, um den besten Anschlagspunkt am Glockenkörper zu finden. Dabei muss der Anschlagswinkel genau bedacht werden. Bei der Auswahl der Melodien und der jeweiligen Glocken, muss man sich nach den Möglichkeiten des Spiels richten, damit keine erheblichen Disharmonien entstehen können.

Die Glocken eines Spieles müssen gut miteinander harmonieren, damit das Mischverhältnis der mitschwingenden Obertöne, das Spiel nicht „verstimmt“ klingen lässt. Die Zusammenstellung eines Glockenspiels erfordert zwingend eine musikalische Betreuung von Musikpädagogen oder Komponisten.

Meist werden die einzelnen Glocken heute mit weißer Glasur und ohne malerische Dekoration ausgeliefert. Besondere farbliche Dekore sind allerdings möglich. Jede Glocke trägt innen das Signet der Manufaktur nebst Bezeichnung der jeweiligen Tonhöhe. Die blauen gekreuzten Kurschwerter der Epochen können innen oder auch außen angebracht sein.

Wie funktionieren nun Anschlagtechnik und Spielmechanik? Die einzeln vorwiegend starr aufgehängten klöppellosen Glockenkörper schwingen nicht selbst wie beim Glockengeläute. Sie werden vielmehr beim Spiel durch einen oft mit Hirschleder bezogenen Schlaghammer oder Schlegel, am unteren Rand, meist von außen, angeschlagen.

Inzwischen ist auch eine Apparatur in Gebrauch, welche die Anschlaghämmerchen praktisch an die Glocke „schießt“. Prof. E. P. Börner versah viele seiner gefertigten Glocken mit einem plastischen Dekor. Die ersten Glocken hatten dabei auch noch verzierte „Schalllöcher“ in der Form eines Dreipasses im oberen Teil. Später wurden nur noch glatte Glockenkörper ohne Schalllöcher gefertigt.

Porzellanglockenspiele können manuell über einen Spieltisch mit Klaviatur, aber auch mechanisch, pneumatisch, automatisch, durch Stiftwalzen, Lochbänder oder mikroelektronische Bauelemente zum Erklingen gebracht werden. Auch ältere Spiele funktionieren noch heute über Gestänge oder Drahtzug. Durch die früher übliche Stiftwalze war die Menge der zu spielenden Melodien allerdings begrenzt und sie wurde im Laufe der Zeit vom Lochband abgelöst. Später kamen immer mehr mikroelektronische Bauelemente zum Einsatz. Porzellanglockenspiele werden heute meist von Komponisten und Musikern musikalisch betreut. Technik, Mechanik und Elektronik werden von Spezialfirmen gewartet und in enger Zusammenarbeit mit Musikern abgestimmt. Viele der Glockenspiele werden bei Frost allerdings von ihren Besitzern nicht betrieben. Zu kostbar scheint dieses Gut zu sein.

In Deutschland gibt es heute den größten Bestand an Porzellanglockenspielen weltweit, davon findet man die meisten Spiele im Freistaat Sachsen. Meißen hat heute davon gleich drei Stück im Betrieb. Früher waren es sogar einmal vier, denn es gab ursprünglich ein weiteres Glockenspiel auf dem Hof der Manufaktur. Dieses Spiel aus dem Jahre 1960 hatte einmal 42 Glocken, die in einem 11 Meter hohen Glockenturm hingen. Durch Umbauarbeiten in den 1970er Jahren wurde das Spiel abgebaut und leider bis heute nicht wieder ersetzt. Auch zwei der kleinsten Spiele sind in Meißen anzutreffen. Es ist das Spiel hier im Krematorium auf der Chorempore mit sechs Glocken und es gibt noch das als Türgeläut funktionierende Spiel mit Westminster-Melodie am Eingang der Porzellanmanufaktur mit nur vier Glocken.

Die Stadt Leipzig hat heute immerhin zwei Glockenspiele aufzubieten. In der berühmten Mädlerpassage hängt seit 1969 ein Spiel mit 25 Porzellanglocken. Dieses Spiel war ein Geschenk der Manufaktur Meißen an das Leipziger Messeamt. Ein zweites Glockenspiel mit sechs Glocken ist seit 1950 auf dem Leipziger Ostfriedhof zu erleben.

Auch Dresden hatte, außer im Zwinger, noch weitere Spiele einst im Betrieb. So war zur Hygieneausstellung im Jahre 1930 am Stübelplatz ein Glockenspielturm mit Pressepavillon errichtet worden. Im Turm waren dann insgesamt 70 Porzellanglocken aufgehängt, welche aber nicht alle bespielt wurden. Man nutzte einige der Glocken damals auch nur zur Zierde. Trotzdem ist es in dieser Zusammenstellung das umfangreichste Porzellanglockenspiel überhaupt gewesen. Da dieses Spiel von Anfang an temporär, also nur für die Dauer der Ausstellung geplant war, baute man es später wieder ab. Was aus den Glocken geworden ist, konnte bisher nicht völlig geklärt werden. Es ist durchaus möglich, dass dann einzelne Glocken in andere Spiele eingebaut worden sind. Zum Zwingerspiel mit seinen 40 Glocken ist zu erwähnen, dass nun festgestellt werden konnte, dass der ursprüngliche Glockensatz einmal vergoldet war. Alte Fotos belegen das heute.

Heute befindet sich das an Glocken umfangreichste Porzellanglockenspiel aber dennoch in Dresden, denn Kändlers Schrankglockenspiel aus dem Jahre 1739 hatte ja 52 Glocken und funktioniert.

Seit der Silvesternacht 1956/1957 hängen 42 Porzellanglocken im Lüneburger Rathausturm. Im japanischen Yokohama gibt es seit 2007 in einem Kaufhaus ein Glockenspiel mit 40 Glocken, kombiniert mit einer Orgel, die noch zusätzlich 49 Porzellanpfeifen hat.

Ja, und nach diesem Ausflug nach Asien, kommen wir wieder nach Meißen zurück, denn in der Frauenkirche am Markt hängen ja seit 1929 die 37 Porzellanglocken.

Doch geht es auch kleiner. Obwohl man schon von einem Geläute sprechen muss, kann man heute das Geläut von drei Porzellanglocken aus Meißen auf dem Waldfriedhof in Luckenwalde erleben. Und auf dem einzigen Glockenwanderweg in Deutschland kann man im erzgebirgischen Deutschneudorf, fast an der tschechischen Grenze, eine einzelne Glocke von 28 Zentimeter Größe erleben und sogar selbst anschlagen. Also wer Interesse hat, der sollte dort, unweit von Seiffen, einmal den Glockenwanderweg begehen und dabei noch Glocken aus anderen Materialien kennenlernen. Sehr zu empfehlen.

Natürlich gab es auch in anderen Porzellanmanufakturen die Versuche derartige Glocken oder gar Spiele herzustellen. Meist blieb es allerdings beim Willen selbst und sogar die ebenfalls berühmte Porzellanstadt Selb wählte beim Glockenspiel von 1994 am Rathaus, 22 Porzellanglocken aus Meißen aus. In der fränkischen Stadt Fürth kam es im Jahre 1951 zum gescheiterten Versuch ein Porzellanglockenspiel, welches aus Rosenthal Porzellan hergestellt war, zu betreiben. Es wurde zwar zum 100-jährigen Bestehens des Fürther Rathauses im Turm installiert, doch häuften sich bald die Beschwerden der Einwohner über den wohl nicht guten Klang. Nach kurzer Zeit war auch eine Glocke zersprungen und das Spiel wurde endgültig abgebaut.

Kurios ist auch die Tatsache, dass in Rüdesheim am Rhein mit dem Glockenspiel von 22 Glocken regelmäßig auch Melodien der Hard-Rock-Band ACDC gespielt werden. Auch das spricht doch für Qualität aus Meißen.

Ein weiteres kleines Porzellanglockenspiel aus 4 Glocken befindet sich in einem kleinen Ort im Erzgebirge und existiert dort seit 1972. Allerdings, und so möchte es der dort ansässige Heimatverband, soll die Existenz der Glocken nicht erwähnt werden, da man Bedenken hat, dass diese Glocken dann gestohlen oder auch zerstört werden könnten. Diese Furcht ist durchaus zu respektieren und daher möchte ich diesen Ort zwar hier erwähnen doch nicht benennen. Und das solche Furcht nicht unbegründet ist, zeigt sich an der Tatsache, dass alle drei Glocken der Waldkapelle Luckenwalde schon einmal dem Vandalismus zum Opfer fielen und ersetzt werden mussten. Eine kostspielige Angelegenheit übrigens.

Ein seit 1952 ganz privat betriebenes Glockenspiel mit 26 Glocken gibt es in der Süss-Mühle von Raschau-Markersbach im Erzgebirge zu erleben. Doch nicht nur dort kann man das Glockenspiel erleben, denn es kann, egal wohin, jederzeit auf- und abgebaut und natürlich auch transportiert werden. Es wird von Hannelore Döscher auf Anfrage vorgestellt und gespielt. Warum Frau Döscher nebst Spiel nicht einmal auch zu einer Veranstaltung in Meißen eingeladen wird, ich weiß es nicht!

In der Stadt Potsdam steht am Luisenplatz seit 1979 eine Spieluhr mit acht Glocken. Hier geht es dann doch schon etwas revolutionärer zu, denn auch nach einer notwendigen technischen Überholung im Jahre 2010, darf auch im nun vereinigten Deutschland noch zur vollen Stunde das einst von Hanns Eisler komponierte revolutionäre Frühlingslied gespielt werden. Und sogar die Bayern und Westfahlen bleiben dann stehen, lauschen und sind entzückt, ja applaudieren sogar!

Im finnischen Phäjärvi (Pejährwie) gibt es seit 1989 ebenfalls ein privates Glockenspiel aus Meißen mit 26 Glocken. Es wurde vom Betreiber als Wandschmuck in einer Raststätte installiert und die Besonderheit liegt hier auch darin, dass sämtliche Glocken aus Platzgründen von innen angeschlagen werden. Auch im schönen italienischen Südtirol, in der Stadt Bruneck, verzaubert ein Glockenspiel Einheimische und Touristen mit 14 Glocken seit 2006.

In Österreich gibt es ein Spiel mit 24 Glocken im Rathaus der schönen Stadt Gmunden. Und natürlich darf man auch die beiden japanischen Städte Arita und Yokohama nicht vergessen. Während ich schon auf das besondere kombinierte Spiel aus Glocken und Porzellanpfeifen in einem Kaufhaus von Yokohama näher eingegangen bin, möchte ich nun auch das Spiel von Arita erwähnen. Zum Staatsbesuch von E. Honecker in Japan, im Jahre 1984, war auch ein Glockenspiel mit 25 Glocken im Reisegepäck. Es wurde damals Japan zum Geschenk gemacht und hat dort lange Zeit sogar die Nationalhymne der DDR gespielt. Heute werden regelmäßig 16 japanische und deutsche Volkslieder abwechselnd und auf Wunsch vorgetragen.

Es ist also sehr schön anzusehen wie sächsische Qualität, die dazu noch aus Meißen kommt, um die Welt getragen wird. Doch sind wir uns dessen auch immer bewusst? Setzen wir unser Hände Arbeit auch immer und dass mit Stolz, genügend in das Licht der Öffentlichkeit? Müssen wir alle nicht auch solche Meisterwerke der Region beschützen und bewahren? Wir sollten es wenigstens versuchen, denn unsere Nachfahren werden es uns sicher danken. Allein in Deutschland sind heute in 30 Städten und Gemeinden, 34 Porzellanglockenspiele, mit insgesamt 716 Glocken zu erleben. Weltweit erfreuen 864 Porzellanglocken die Menschen.

Leider gibt es über die Porzellanglockenspiele aus der Manufaktur Meißen auch weniger erfreuliches zu berichten. Denn seit 1990, sind auch einige Spiele spurlos verschwunden. Ich sage hier bewusst vorsichtig verschwunden und verwende nicht die endgültigen Worte gestohlen oder gar zerstört. Denn was Verschwunden ist, könnte man suchen. Wenn man will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, drei komplette Glockenspiele mit insgesamt 55 Porzellanglocken sind seit 1990 spurlos verschwunden. Es handelt sich dabei um das ehemalige Glockenspiel vom Dresdner Striezelmarkt mit 6 Glocken, dem Glockenspiel der ehemaligen Kammer für Außenhandel der DDR mit 24 Glocken und das Glockenspiel vom Ostberliner Weihnachtsmarkt mit 25 Glocken, nebst der jeweiligen kompletten Spiel- und Anschlagmechanik.

Alle diese Spiele waren nachweislich letztmalig auf den Weihnachtsmärkten 1989 sowie auf einer Messe im Jahre 1990 zu sehen und zu erleben. Seitdem verliert sich jede Spur. Meine Umfragen und Recherchen laufen bereits seit Jahren, doch gibt es bisher keinerlei Anhaltspunkte.

Interessanterweise bekam ich auch vom Berliner Senat kaum Hilfe und die Stadt Dresden antwortet bis heute nicht auf meine Anfragen. Besitzer der Glockenspiele waren nachweislich die Stadt Dresden, die bis 1989 den Dresdner Striezelmarkt veranstaltete und der Magistrat von Berlin, der ebenfalls bis 1989 den Ostberliner Weihnachtsmarkt betrieb. Bei der Außenhandelskammer war das Spiel Volkseigentum.

Die Glockenspiele sind weg, es wird nicht danach gesucht, es besteht auch kein Interesse daran und es wurde nicht einmal Anzeige gegen Unbekannt gemacht. Alles egal!
Mein letzter Anruf in Dresden brachte mir die Worte ein:

„Ach Sie sind das mit Ihrem blöden Glockenspiel, haben Sie denn keine anderen Sorgen? Mensch wir haben hier ganz andere Probleme jeden Tag zu meistern!“ Und da hatte sie auch sicherlich Recht! „Blöde Glockenspiele“.

Nun, ich selbst werde weitersuchen, es ist jede einzelne Glocke wichtig, denn was anderen Menschen Freude bereitet und was sogar oft als „Glocken des Friedens“ bezeichnet wurde und wird, kann doch nicht blöde sein! Und wäre es nicht auch schön, wenn der Dresdner Striezelmarkt etwas zurückbekommt was er bis 1989 hatte?

Es gibt noch so viel mehr über das klingende Weiße Gold zu berichten, vieles ist noch unbekannt und könnte auch in einer Art Nachschlagewerk, als Buch veröffentlicht werden und ich verspreche Ihnen daher, sollte ein Verlag mit ernst gemeinten Absichten einmal an mich herantreten, dann wird es auch sicherlich gelingen.

Ich hoffe allerdings, dass ich heute schon ein wenig Ihr Interesse geweckt habe, ich einiges informatives zum Thema berichten konnte und es nicht zu langweilig war.

4. Vortrag „Die ehemaligen Königlich Sächsischen Hoflieferanten aus Meißen"

Die ehemaligen Königlich Sächsischen Hoflieferanten aus Meißen

Wer einst in Sachsen das Prädikat „Hoflieferant seiner Majestät des Königs“ führen durfte, der konnte sich wahrhaftig glücklich schätzen. Oftmals gingen Wochen, Monate, nicht selten auch Jahre ins Land bevor endlich ein Brief aus dem Ministerium des Innern, vom Königlichen Oberhofmarschallamt eintraf. Dazwischen lag ja immer die lange Zeit des Wartens.

Ein Sächsischer Briefträger brachte täglich die Briefpost direkt ins Haus und man war zwar schon mit seinem Lebenspartner vermählt, aber man „mailte“ damals noch nicht. Kurzum, der Briefträger war also in solchen Tagen der Ungewissheit, ein durchaus willkommener Gast. In einem kurzen Anschreiben aus dem Königlichen Oberhofmarschallamt in Dresden, wurde dem jeweiligen Antragsteller nun häufig mitgeteilt, dass ein entsprechendes Gesuch um das Königliche Hofprädikat, abgelehnt oder, sogar erneut abgelehnt wurde.

Die Ablehnungen, nicht selten wurden sie auch begründet, hat es nachweislich mehr als verliehene Prädikate gegeben. Es blieben sehr viele Meter von einzelnen Vorgängen in zum Teil dicken Akten aufbewahrt erhalten, - und diese findet man noch heute im Hauptstaatsarchiv in Dresden. Dort reihen sich die fast unzähligen Gesuche und Bitten der Antragsteller zusammen mit den ergangenen Bescheiden, den Ablehnungen, den oftmals zweiten und dritten Anträgen und die eventuell verliehenen Dekrete, Meter für Meter auf. Auch die aus Meißen.

Gott sei Dank blieben uns die Akten größtenteils erhalten, bewahren sie doch ein wichtiges Stück der sächsischen Geschichte auf - und geben uns heute darüber Auskunft.
Und da wir gerade über Geschichte sprechen, so sollten wir auch einmal kurz in einige alte Überlieferungen schauen und den Fragen nachgehen: Wo waren die Anfänge und seit wann gibt es überhaupt einen Hoflieferantentitel?

Nun, schon unter den sächsischen Kurfürsten erhielten zum Beispiel die Hofhandwerksmeister, Hofschneider oder die Hofschuhmacher ein festes jährliches Gehalt. Sie hatten allerdings dafür auch immer wieder entsprechende Arbeiten und dann kostenlos, für das Hof- und Hausmarschallamt auszuführen.
So bezog zum Beispiel einst ein Leib- und Hofkürschner das Gehalt von jährlich 50 Talern, welches erst mit dem neuen Kassenreglement von 1764 entfiel bzw. anders geregelt wurde.

Ein Prädikat wurde demnach meist, und so ist es überliefert: „…wegen der in seiner Kunst erlangten guten Geschicklichkeit“ erteilt worden. Dem Inhaber des Prädikats hat man weiter zugesichert: „dass er weder von der ordentlichen Gerichtsbarkeit noch von der Mitleidenheit bei gemeinen Anlagen befraget werden soll“. Damit wurden die Titelträger durchaus zu Privilegierten gemacht, welche dann auch einen gewissen kurfürstlichen Schutz beanspruchen konnten.

Ganz wichtig an dieser Stelle ist zu sagen, dass Hofprädikate vorwiegend auf einen gestellten Antrag oder auch einer gut begründeten Bitte bearbeitet und geprüft wurden.

Mit viel Glück, und Glück war damals eben auch schon ein kleines Wunder, gab es natürlich auch die unverhoffte Begegnung mit den Majestäten selbst, die dann eine Titelvergabe persönlich befürworten konnten.

Und damit sind wir beim ersten hier genannten Beispiel aus Meißen, dem Goldschmied Wilhelm Schwarz, angekommen, Er hatte das Glück dem damaligen König Albert nebst seiner Gemahlin Königin Carola, auf einer Jagd- und Sportausstellung zu begegnen, während beide Majestäten dort ihren obligatorischen Rundgang machten. Doch ist noch einiges mehr über den Goldschmied aus Meißen bekannt.

Wilhelm Schwarz wurde am 26. Mai 1853 in Troppau, heute Opava in der Slowakei, geboren. Damals gehörte Troppau noch zur K. u. K. Monarchie und damit zu Österreich, genaugenommen zu Österreich-Schlesien. Nach Jahren als Gehilfe und der damals üblichen Wanderschaft, die ihm ab 1871 auch nach Berlin, Döbeln und Dresden führte, kam er 1878 nach Meißen und nahm hier die sächsische Staatsangehörigkeit an.

Zunächst arbeitete er noch als Gold- und Silberarbeiter, wohnte im Haus 275 am Görnischen Platz (Hundewinkel). Er selbst bezeichnete sich später in dieser Zeit schon als Goldschmied. Das Adressbuch Meißen von 1887 bis 1893 führt Schwarz noch als Goldarbeiter, wohnhaft in der Fleischergasse 10. Ab der Ausgabe von 1900 wird Schwarz als „Goldschmied“ und dann wohnhaft Markt 10 geführt.

Er befasste sich allerdings nicht nur mit Goldschmiedearbeiten und die Herstellung von Schmuck, sondern auch mit der Jagd, seine Spezialität war das Einfassen von Jagdtrophäen. Er stellte also wundervolle Schmuckketten oder das sogenannte Charivari für Jagdfreunde her. So wurde wohl mancher „Grandel“, ein Eckzahn vom Hirsch, kunstvoll von Wilhelm Schwarz in Gold und Silber gefasst und später als besonderes Schmuckstück vom Waidmann getragen. Auf seinen Werbeansichtskarten sieht man davon eine ganze Menge.

Am 6. Oktober 1908 verfasste Wilhelm Schwarz einen dreiseitigen Brief an das Ministerium des Königlichen Hauses in Dresden und bat darin um den Titel eines Königlichen Hoflieferanten und um das entsprechende Prädikat. Dort hatte das Kämmeramt Sr. M. des Königs, keine Bedenken, da Schwarz ja schon seit Jahren Schmucksachen an Seine Majestät lieferte und alles immer mit größter Zufriedenheit erledigt wurde. Man empfahl das Gesuch von Schwarz, wie es damals hieß, wärmstens zur geneigten Berücksichtigung. Trotzdem, auch das war damals durchaus üblich, fragte man noch bei der Amtsmannschaft Meißen an, ob denn nicht doch noch etwas Negatives zu finden ist. Man bittet dort am 14. Oktober 1908 um entsprechende „Ermittlungen“. Am 26. Oktober folgte bereits die Antwort aus Meißen. Auch hier gab es keine Einwände.

„Er hat vier Kinder, ist gut gebildet, gilt als königstreu und als glaubhafter Mann. Im geschäftlichen sowie im privaten Leben ist er unbelastet und ist gut situiert. Sein Geschäft führt er vorzüglich und sein Einkommen liegt bei etwa 7000 Mark im Jahr.

Ein entsprechendes Dekret zum Hoflieferantentitel wurde durch Friedrich August III. am 30. Oktober 1908 unterzeichnet. Gleichzeitig erging an Wilhelm Schwarz eine Rechnung über 400 Mark. Das waren 100 Mark für das Dekret und 300 Mark an Gebühren. Eine riesige Summe damals!

Weiterhin stellte man klar, dass der Titel „Hoflieferant seiner Majestät des Königs“ nur unter Vorbehalt gewährt wird und er persönlich den Titel nur tragen dürfte solange er das Goldschmiedegeschäft in Meißen auch selbst führt. Es war also ein persönlicher Titel und galt nur der Person W. Schwarz und nicht zeitgleich dem Geschäft. Natürlich mussten auch vorher die geforderten Gebühren von 400 Mark bezahlt sein, bevor man dann die Urkunde auch ausstellte.

Wilhelm Schwarz bedankte sich persönlich für die Ehre in einem extra Anschreiben und stellte die 400 Mark in Aussicht. Eingezahlt hat er das Geld dann auf dem Postamt Meißen.

Im Adressbuch von Meißen wird er im Jahre 1921 bis 1924 als „Privatus“, wohnhaft in der Großenhainer Straße 43 geführt und sein Sohn Paul Schwarz führte nun das Geschäft Markt 10, als Goldschmied und Inhaber. Wilhelm Schwarz zog noch einmal um und wohnte ab 1926 auf dem Kleinmarkt Nummer 1. Auch das Goldschmiede-Geschäft, nun von Paul Schwarz geführt, zog noch einmal um und steht 1939 im Adressbuch Meißen mit Fleischergasse 15. Ein Wilhelm Schwarz wird 1939 bereits nicht mehr aufgeführt. Auch im Adressbuch von 1950 befindet sich das Geschäft von Paul Schwarz noch in der Fleischergasse 15.

Nun muss man wissen, das Prädikat eines Hoflieferanten wurde grundsätzlich nur an natürliche Personen verliehen, welche sich mit hervorragenden Leistungen in ihrem Berufszweig hervortaten, einen ehrenhaften Ruf und die eine königstreue Gesinnung hatten. Sie mussten außerdem schon mehrjährig in einer guten Geschäftsbeziehung zum Hofe gestanden haben. Aber es gab auch hier kleine Ausnahmen.

Sehr häufig wurden dabei Prädikate an Inhaber von Familien- und Traditionsunternehmen verliehen. Dabei war es in Sachsen wirklich nicht selten, dass auch Frauen dann als „Hoflieferantin“ durch entsprechendes Dekret geehrt wurden.

Der Hoflieferantentitel wurde schon damals auch „auswärtswohnenden“ Personen verliehen, er war also im Königreich Sachsen nicht an eine Staatszugehörigkeit gebunden. Die geehrten Hoflieferanten wurden im Königreich Sachsen nach ihrer Diplomierung geordnet.
Die Diplome lauteten auf den Titel „Hoflieferant“, sofern bei den Namen kein anderer Titel wie zum Beispiel Hofgoldschmied, Hofmundbäcker oder Hoforgelbauer vermerkt wurde.

Doch nicht nur der regierende König selbst konnte in Sachsen den Titel verleihen, nein auch die Familienmitglieder des Sächsischen Königshauses waren dazu berechtigt.
Einige davon führten dabei noch zusätzlich ein eigenes Familienwappen zum Beispiel ein gräfliches Wappen. Dadurch kam es dann zur zeitgleichen Darstellung von unterschiedlichen Wappen in den Werbeanzeigen und auf Prospekten, welche meist noch zusätzlich erklärt wurden.

Es gab dann verschiedene Titelbezeichnungen wie „Hoflieferant Ihrer Majestät der Königin-Witwe“, „Hoflieferant Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Johann Georg, Herzogs zu Sachsen“ oder auch „Hoflieferant Seiner Königlichen Hoheit der Frau Prinzessin Johann Georg“.

Und damit kommen wir zum zweiten Beispiel aus Meißen, zum Pianoforte Fabrikanten Ferdinand Thürmer. Die Firma Thürmer, sicherlich hier jedem bekannt und noch heute mit seinen Produkten am Markt, war damals aber auch schon geschätzt. Ferdinand Thürmer besaß in dieser Zeit gleich drei Prädikate als Hoflieferant. Im Königreich Sachsen wird Thürmer im Adressbuch der Hoflieferanten von 1905 als Hoflieferant weiland Ihrer Majestät der Königin-Witwe von Sachsen aufgeführt. Er bekam den Titel also nicht vom König, sondern von einem Mitglied der Königlichen Familie verliehen. Zusätzlich war er noch Hoflieferant des Großherzogs von Sachsen-Weimar und des Großherzogs von Hessen und bei Rhein.

Mit der Verleihung des Titels, bekam der Titelträger ebenfalls die Erlaubnis mit diesem erworbenen Prädikat zu werben und dabei noch zusätzlich das Königlich Sächsische Wappen in der kleineren Form, als Herzschild zu führen. Und wie das einst ausgesehen hat sieht man auf den folgenden Foto einer Porzellantasse.

Mit dem Prädikat durfte allerdings nur auf Waren, Geschäftsschildern, Etiketten, Anzeigen, Rechnungen, Briefbögen und dergleichen geworben werden. Eine Werbung auf Siegeln, Verschlussmarken und Stempeln war dagegen untersagt.

Das dabei der Geehrte nicht zu weit über die Stränge schlug, dafür sorgten die „Grundlegenden Bestimmungen“ aus dem Jahre 1905, welche eigens durch das Ministerium des königlichen Hauses herausgegeben wurden und natürlich, wie sollte es auch anders sein, gab es damals auch schon die offenen Augen und Ohren der Konkurrenz. Das hatte einen guten Grund, denn immer wieder kam es zum Titelklau. Das heißt, man nahm einfach einen Hoflieferanten-Titel an ohne ihn zu besitzen. Doch kamen durch die aufmerksamen Augen und Ohren der Konkurrenz diese Schwindeleien schnell heraus.

Der Sachse ist eben aufmerksam, also viechelant. Er ist dabei keineswegs nachtragend, aber er vergisst eben auch nischt!

Nach einigen entsprechenden Eingaben bei der Dresdner Polizeidirektion und dessen gefälligsten Überprüfungen, staunte man 1905 nicht schlecht, als sich herausstellte, dass es eine ganze Anzahl verschiedener Firmen gab, die unberechtigt einen Hoflieferantentitel oder einen anderen als den ihnen zugesprochenen Hoftitel führten.
Besonders in den Werbestrategien von einzelnen Groß- und Kleinhändlern hat man mit falschen Titeln die eigenen Waren beworben. Ja, sogar große Kaufhäuser, eigneten sich oft mit raffiniertem Wortgeschick Hoftitel an, die es gar nicht gab. Werbung, egal auf welcher Art und Weise wurde damals plötzlich Waffe!

Verständlicherweise setzte auch damit eine große Flut von Anträgen und Bitten auf einen zu Recht erworbenen Hoftitel ein. Die wirklich strebsamen und kundenorientierten Firmen und nicht zuletzt die rechtmäßigen Titelträger selbst, suchten nun mit ihren Beschwerden und Anträgen natürlich eine konsumpolitische Unterstützung durch die Autorität des Königshofs.

Doch nicht nur dass, die königliche Hofhaltung schenkte ja mit solch einem verliehenen Dekret auch gleichzeitig dem Inhaber ein ganz besonderes königliches Vertrauen. Und dieses Vertrauen machten sich nun auch Dritte völlig unberechtigt zunutze. Ein Skandal. Das heißt, alles was Bezug auf das Königshaus vorgaukeln konnte, wurde zur Warenpräsentation oder sogar in die Produktbezeichnung eingepflegt, um beim Käufer den Gedanken anzuregen, dass dieses Produkt etwas mit der Königlichen Hofwirtschaft zu tun hat.

So kam es dann zu klangvollen Bezeichnungen wie: „Königlicher Brustzucker“, „Albertwürste“ oder gar „Königliches Gesundheitsbier“. Diese gab es aber wirklich nicht lange. Denn nun man schritt ein.

Ganz wichtig an dieser Stelle ist zu erwähnen, dass dagegen Bezeichnungen wie „Tafelgetränk Seiner Majestät des Königs“, „Königliches Hoftafelbier“ oder auch „Tafelgetränk Seiner Majestät des Königs Friedrich August von Sachsen“, völlig korrekt sind und auch noch heute eine wichtige Rolle in der Werbung von Firmen spielen. Denn sie alle sind mit einem entsprechenden Dekret belegt.

Diese Bezeichnungen stehen für die wenigen Ausnahmen die man machte, um nicht eine natürliche Person, sondern nur ein hergestelltes Produkt mit einem Hoftitel zu ehren.
So geschehen im Jahre 1905 beim Radeberger Pilsner oder auch schon 1883, für den von Agathe Zeis, - ersten in Deutschland hergestellten Camembert, der aus der Käserei Heinrichsthal bei Radeberg kam und noch heute dort hergestellt wird.

Mit den erlassenen Bestimmungen zum Hoflieferantentitel und den Ergänzungen von 1906, sowie deren konsequente Durchsetzung, konnten jedenfalls hier die Wogen schnell geglättet werden.

Kam es im Königreich Sachsen zu einem Thronwechsel, dann war es nach erfolgtem Regierungsantritt des neuen Monarchen möglich, bestehende Hofprädikate durch Umwandlungsanträge zu verlängern oder durch Umschreibung weiterzuführen. Es wurde also nochmals neu entschieden.

Und damit sind wir bei Ernst Otto Horn dem Weingroßhändler und Kunstsammler aus Meißen angekommen, dessen Familiengrab noch heute hier auf dem Stadtfriedhof erhalten blieb und sich meist in einem sehr schlechten Zustand befindet. In meinen Vortrag im letzten Jahr über den Kunstsammler Horn, bin ich ja darauf schon genug eingegangen. Was jüngste Recherchen ergaben, ist die Tatsache, das Horn im Jahre 1945 der vermögendste Bürger der Stadt Meißen war!

Die Hoflieferantenakte zur Familie Horn ist sehr dick, aber sie erzählt auch so einige interessante Dinge.

Die Familie Horn ist dabei ein typisches Beispiel der eben erwähnten Möglichkeit einer Weitergabe oder Umschreibung vom Hoflieferantentitel. Zuerst war es Otto Horns Vater der 1881 von König Albert zum Hoflieferanten ernannt wurde. Nach seinem Tode dann die Umschreibung auf die Witwe Emma Horn. Und als sich diese aus dem Geschäft zurückziehen wollte ging dann nach einigen hin und her, der Hoflieferantentitel an Otto Horn, und zwar am 15. Oktober 1918. Viel Freude hatte er am Titel bestimmt nicht, denn alles kostete Horn damals immerhin 450 Mark und am 9. November 1918, war dann ohnehin die Monarchie in Deutschland vorbei.

Ein weiterer Hoflieferant war Wilhelm Emil Naumann, der Besitzer der Weinessig- und Senffabrik Rössler und Co., oder wie wir Meißener einst sagten von der Senfbude. Vorerst hatte Emil Naumann seine Fabrik in der Landgemeinde Cölln, in der Bergstraße 2. bis Cölln dann 1901 eingemeindet wurde.

Später wohnte er in der Bergstraße 10, dass ihm, wie auch Haus Nummer 16 gehörte. Im Jahre 1950 wird immer noch für Bergstraße Nummer 10 und 16 die Firma Rössler aus Besitzer angegeben.

Grundsätzlich konnte der Status als Hoflieferant zu jeder Zeit aber auch wieder entzogen werden. Dieses war dann zum Beispiel bei Julius Paul Augustin der Fall, der in Chemnitz die Sächsische Conservenfabrik in der Berliner Straße betrieb. Denn das am 8. Juni 1903 verliehene Prädikat Hoflieferant wurde im März 1911 wieder entzogen. Der Grund dafür war, dass Augustin beim Fälschen bzw. Strecken von Marmelade ertappt und daraufhin vor Gericht gestellt und schließlich verurteilt wurde.

Es gab allerdings auch im keramischen Bereich einen Titelträger aus Meißen und das war Ernst Teichert, welcher im Jahre 1870 die von seinem Bruder Carl Teichert am Neumarkt gegründete Ofenfabrik übernommen hatte. 1874 dann wurde Ernst Teichert zum Hoflieferanten.

Ein weiterer Hoflieferant hatte seine Firma auch wie Otto Horn in der Elbstraße. Doch gab es dort keinen Weinkeller, sondern die Teppich- und Strumpfwarenfabrik Louis Beilich, die von Max Beilich geleitet wurde. In der Lorenzgasse waren Produktion und Lager und in der Elbstraße wurden die Waren verkauft. Eine größere Bestellung lieferte die Firma im Jahre 1905 in das Dresdner Schloss, genauer gesagt an die Hofhaltung der Königin Witwe (Carola). Ein Jahr später erfolgte der Antrag auf den Titel „Hoflieferant Ihrer Majestät der Königin Witwe“ der 1906 durch die verwitwete Königin Carola auch gewährt wurde.

Nach dem Ende der Monarchie in Sachsen 1918, kam es bei den Titelträgern dann zu einer Abänderung der Bezeichnung. Sie wurde nun von den Firmen selbst in „Ehemaliger Hoflieferant“ geändert oder ganz weggelassen.

Die Bezeichnung „Ehemaliger Hoflieferant“ blieb in Sachsen oft bis in die Gegenwart erhalten oder man lässt sie erneut aufleben. Gegenwärtig ist der ehemalige Hoflieferantentitel nicht selten wieder zum festen Bestandteil eines Unternehmens geworden und wird vor allem noch immer äußerst werbewirksam eingesetzt. Eine etwas modernere Art kann man hier auf dem Foto sehen.

Seit September letzten Jahres gibt es in Sachsen erneut einen Titel, der sich in traditioneller Folge an dem Königlich Sächsischen Hoflieferantentitel anschließen soll. Es gibt einen derartigen Titel also immer noch!

Dieser Titel wird seit letztem Jahr in der Form eines Prädikates vom Hause Wettin, Albertinische Linie, durch Prinz Daniel von Sachsen, Herzog zu Meißen, an Traditionsunternehmen aus Sachsen verliehen. Eine so geehrte Firma muss dabei nicht nur heimische, also typische sächsische Produkte herstellen, sondern sich dazu auch mit der Sächsischen Geschichte intensiv befassen. Das Prädikat gilt der herstellenden Firma und schließt dabei jeden Mitarbeiter ein.

Zum ersten Male wurde dieser modernisierte Titel am 15. September 2018, am Rande einer Hausmesse und einer Ausstellung über Sächsische Grenzsteine sowie dem Hause Wettin, der Firma POSA Möbelsysteme aus Satzungen, bei Marienberg im Erzgebirge feierlich verliehen. Dort werden seit vielen Jahren Polstermöbel hergestellt und mittlerweile in ganz Deutschland vertrieben.

Es war dann für mich eine besondere Ehre dem Herrn von Sachsen bei der erstmaligen Prädikatverleihung zu assistieren. Der Geschäftsführer von POSA war natürlich sehr überrascht und geehrt, denn er wusste von nichts. Es gibt also keine Anträge auf das Prädikat sondern der Vorstand vom Haus Wettin trifft die Entscheidungen zu Vergabe.

Aus dem ehemaligen Hoflieferantentitel ist also nun inzwischen eine besondere Ehrung für Qualitätsprodukte aus Sachsen geworden.

Und dass ist auch wichtig, denn nicht nur Meißen auch ganz Sachsen kann mehr. Wir Sachsen können viel mehr als mancher glaubt und es ist höchste Zeit dieses auch wieder in ganz Deutschland erlebbar zu machen. Sachsen muss endlich weg davon, nur ein Arm zu sein, welcher westlich der Elbe dirigiert wird, Sachsen darf nicht länger nur die verlängerte Werkbank eines Konzerns aus dem Westen sein. Beweisen wir es. Zwingen wir endlich unsere gewählten Vertreter der Parteien zu handeln, geredet wurde in dreißig Jahren schon genug! Stellen wir diesen Leuten doch konkret die Frage, warum unsere hier hergestellten Produkte westlich der Elbe noch immer völlig unbekannt geblieben sind? Das wäre zumindest ein guter Anfang.

5. Vortrag „Mit Schrick und Aalreuse - Die Meißner Flößer und Fischer auf der Elbe"

Mit Schrick und Aalreuse - Die Meißner Flößer und Fischer auf der Elbe

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde der Meißner Geschichte. Wieder einmal ist es an der Zeit, sich einem interessanten Meißner Thema zu widmen. Und man könnte auch wohl mit Recht folgende Fragen in den Raum stellen: Was wäre die Keramik ohne Meißen und was wäre Meißen ohne die Elbe? Ja, was wäre wohl Meißen ohne die Elbe?

Generationen von Menschen haben bereits am dicken Geschichtsbuch der Stadt Meißen mitgeschrieben. Und dabei spricht man immer wieder auch von der Elbe, ein Fluss der diese Stadt durchquert und dabei nicht immer nur ein guter Freund sein kann. Die Meißner Bürger haben schon immer mit der Elbe gelebt. Die Elbe sorgte für angenehme Erfrischung im Sommer, war im Winter, wenn sie zugefroren war, eine funktionierende zusätzliche Brücke über den Strom. Die Elbe kann so viele unterschiedliche Gesichter haben, eben wie der Mensch. Einmal ist sie friedlich und kaum spürbar, wenn sie in trockenen Sommertagen, nur noch als flaches Bächlein leise plätschert. Sie kann sich aber auch dann und zwar in kürzester Zeit, zu einem gewaltigen Strom verwandeln, der alles was ihm dabei im Wege steht, mit sich reißt. Die Elbe kann friedlich und gefährlich sein.
Es gab in der Stadt Meißen Zeiten, da hat die Elbe sogar Menschen ernährt. Und von solchen Leuten die einst einmal von der Elbe lebten, soll heute die Rede sein.

Es geht heute um die Fischer und die Flößer, welche mit der Elbe bei Meißen im Einklang lebten. Und man kann aus unserer heutigen Sicht ganz pauschal sagen, einfach war dieses Leben nicht! Aber schauen wir doch einmal in den damaligen Alltag eines Fischermeisters aus Meißen hinein. Und dazu gehen wir in unseren Gedanken in die Jahre um 1920 zurück. Nehmen wir daran teil, was so ein Fischerleben in Meißen ausmachte.

Dazu möchte ich noch vorher einige statistische Informationen geben.

Es gab im Jahre 1924 in der Stadt Meißen insgesamt 19 registrierte „Fischermeister“, die mit ihren eigenen Booten und Netzen auf der Elbe regelmäßig fischten. Gefischt wurde dabei schon saisonbedingt, es waren also die Schonzeiten genau einzuhalten, nach Aal, Lachs, Karpfen, Hecht, Stör, Rotaugen, Barben, Zärten, Schleien und nicht zu vergessen, den weißglänzenden fingerlangen „Lummeln“. So artenreich war die Elbe damals!

Die Fischer wohnten vorwiegend und wie kann es anders auch sein, in Elbnähe. In den alten Adressbüchern von Meißen sind die Kleinbetriebe der Fischermeister im Fährgäßchen, in der Uferstraße, der Fischergasse, der Obergasse, am Martinsplatz, aber auch in der Siebeneichner Straße zu finden. Ihre Namen waren Große, Großgart, Hartmann, Höhle, Kranke, Kroegis, Megner, Starke, Stelzer, Weser und Wittig.

Vom Fischermeister Wittig ist es mir gelungen, den alten Bürgerschein sowie die Fischer-Meisterurkunde der Fischerei-Innung Meißen aufzutreiben und daher kann ich Ihnen heute diese wichtigen Belege der Meißner Geschichte im Foto präsentieren. Wichtig ist dabei zu wissen, dass fast alle genannten Fischermeister auch in der Fischerei-Innung organisiert waren. Doch der Fischer-Beruf war wie an anderen Stellen der Elbe schon am Aussterben. Im Jahre 1926 stieg die Anzahl der Meißner Fischermeister auf 20 an, doch im Jahre 1939 waren es nur noch 9. Im letzten Adressbuche von Meißen aus dem Jahre 1950 gab es nur noch einen einzigen Fischermeister in Meißen. Es war Alfred Megner aus der Siebeneichner Straße 16.

Zudem hatte Meißen im Jahre 1926 mit Gottlieb Gustav Crackau, Lindenplatz 5, noch einen letzten Bootsbauer, der noch die kleinen Fischerboote baute. Doch kommen wir nun zum Alltag der Meißner Fischer.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter beherrschen die Erde und die Menschen und diese vier Jahreszeiten beherrschten auch die Elbe, die Fische und die Fischer. Das bedeutete, wenn die ersten warmen Sonnenstrahlen den Frühling ankündigten war noch Schonzeit für viele Fischarten. Es durfte demnach nur nach Aalen oder Lachsen gefischt werden. Bei der Jagd auf Aale verwendeten die Elbfischer Reusen, die entweder aus Holzstäben oder aus Bindfäden bestanden. Die hölzernen Reusen hatten dabei die Form einer Flasche, die man oben am Halse mit einem Stöpsel verschließen konnte, aber keinen Boden haben. Damit sie sinken wurden sie mit Ziegelsteinen beschwert. Solch eine Reuse ist in der Dauerausstellung im Stadtmuseum Meißen im Original zu sehen. Aber natürlich habe ich auch einige Fotos dazu. An gestrickten „Garnsäcken entlang, die wiederum an Holzstäben befestigt waren, schwamm der Aal nun in sein Gefängnis, der flaschenförmigen Reuse. Besonders in der Weihnachtszeit und um Pfingsten wurden viele Aale in der Elbe gefangen.

Lachse dagegen wurden in großen Netzen gefangen. Und das ging so. Ein Fischer hielt das eine Ende des Netzes auf dem Lande fest. Der andere Fischer ruderte das Boot, worin der Rest von den Netzen lag, in Richtung Mitte vom Strom. Es spannte sich also aus. War es ganz ausgespannt, dann ließ man das Boot stromab gleiten und das Netz strich dabei sanft über den Grund dahin. Nur einige Meter, dann wurde das Boot wieder in Richtung Land gerudert. Das Netz beschrieb also dabei einen halbkreisförmigen Bogen. Nachdem das Boot nun am Ufer festgemacht war wurde das Netz eingeholt. Bei viel Glück zerrten dann zwei bis drei Lachse im Netz. Zehn bis dreißig Pfund Gewicht pro Lachs waren damals keine Seltenheit. Durch eine einfache Holzkeule verlor der Lachs dann sein Leben. Und da solch ein Lachs sich auch stark gegen den Tod wehrt, hatten die Fischer auch immer genug mit dem Flicken der Netze zu tun. Bei dieser Fangmethode war es wichtig, einen möglichst glatten Grund vorzufinden, damit sich das Netz nicht verheddert und beschädigt wird. Das Netz musste also gut am Grund „gezogen“ werden können.

Die Fischer bezeichneten diese Stellen der Elbe dann als „Lachszüge“ und an solchen Stellen waren am Ufer viele kleine Bretterbuden aufgebaut, die man im Sommer oft gleich als Unterkunft nutzte. Die einzelnen Fischermeister und deren Gehilfen fischten dort nach einer genau festgelegten Reihenfolge. Hatte eine Gruppe ihren „ZUG“ getan, zog sie sich in die Bretterbuden zurück, bis sie wieder an der Reihe waren, sei es bei Tage, sei es bei Nacht. Trotzdem erfolgte der Fischfang, bei anderen Fischarten, auf der Elbe bei Meißen in der Hauptsache als Nachtbetrieb und das ging so.

Ging die Sonne unter, hängte man sich mit der Erlaubnis der Schiffer an das Ende eines Schleppzuges und ließ sich mit den Booten stromauf schleppen, aber meist wurde stromauf gerudert oder bei einer guten Briese konnte man dazu hilfreich die Segel setzen. War der Standort erreicht, ruderte man an Land und der Fang konnte beginnen.

In der Schonzeit hatten die Fischer meist viel Arbeit mit dem Handwerkszeug. Man teerte die Boote und bemalte sie neu. Der wichtige Regenmantel und die Wasserstiefel mussten ebenfalls geölt und ausgebessert werden. Die Netze, und er hatte verschiedene Netze, wurden ebenfalls in dieser Zeit ausgebessert. Oftmals waren sie am Ufer der Elbe dabei zu beobachten.

Im Sommer dagegen blühte die Fischerei, denn die warmen Sonnenstrahlen erwärmten das Wasser und die Fische, die auch Schuppenwild genannt wurden, reiften als Ernte heran. Und das spezielle Gefäß worin man den Fang heimbrachte war das „Hetfass“, welches an einer Leine befestigt am Boot mitgeführt wurde und das kleine Löcher hatte. So war der Fang immer gut vom Elbewasser umspült. Heute wäre solch ein Hetfass sicherlich verboten. Das Nachtfischen brachte natürlich auch den Vorteil, dass die Fischer dann keinem Lastkahn auszuweichen hatten. Man konnte ohne Bedenken die Breite der Elbe nutzen ohne Angst zu haben, dass die Netze beschädigt werden. Es gab in der Nacht auch keinen Raddampfer, der mit seinem lauten Stampfen die Fische aufschreckte und mit den Ruderschlägen den Fluss aufwühlte.

Wie schon erwähnt, wurde vorwiegend stromab gefischt, so dass die Netze am Boot hinterhertrieben. Wenn dann in den Nächten die Sterne funkelten und der Mond sich in der Elbe spiegelte, die Schleppsacknetze knisterten leise, wenn sie stromab über dem Grund geschliffen wurden, dann kam auch ab und an etwas Romantik auf, sonst war alles aber harte Arbeit.

Es kam vor, da unterhielten sich die Fischer mit ihren Fischen, mit der Elbe, den Fröschen und den Sternen. Meist unhörbar, manchmal aber auch laut. Der Meißner Elbfischer war in die Abläufe der Natur eingegliedert, eben wie ein Wasservogel.

Am frühen Morgen legten die Boote an den Landungsstegen vor ihren Häusern an. Nun mussten die Netze gereinigt werden und dann wurden sie hochgezogen, damit sie trockneten. So hingen dann die Netze wie riesige Fahnen, Meter für Meter. Der Fischer selbst konnte nun einige Stunden schlafen, erst am Nachmittag war er wieder mit seinen Netzen beschäftigt, denn auszubessern gab es immer etwas.

Nun begann die Arbeit der Fischerfrauen. Sie musterten den Fang mit flinken Augen und schnell war der Fang aufgeteilt. Die kleinen Fische wurden ausgenommen, gewürzt und gekocht und in Essigmarinade eingelegt. Große Fische kamen in grüne Fässer auf einen Handwagen. Damit ging es dann auf den Markt oder einer anderen Stelle der Stadt. Sogar auf der Neugasse wurden frische Fische angeboten, wie man es hier auf dem Foto sehen kann. Wissen Sie wo das ist?

Hier am Durchgang der Neugasse zum Neumarkt, den es ja heute noch gibt, sitzt die Fischersfrau und bietet den Passanten ihre Ware an.

Auf dem Marktplatz war natürlich der Hauptumschlagsplatz und dort wurden die noch lebenden Fische getötet, geschuppt und ausgenommen. Was man während der Markt-Zeit nicht verkaufte, wurde anschließend in den anliegenden Häusern angeboten. Es waren mühsame Wege für die Fischerfrauen, immer ging es dann treppauf, treppab, von Straße zu Straße, oft sogar auch über Land von Dorf zu Dorf.

Im Herbst wenn es kühler wird ziehen sich die Fische schon gern in ihre Schlupfwinkel zurück. Bei sonnigen warmen Tagen dagegen konnte der Fischer meist bis in den Spätherbst hinein mit vollen Netzen rechnen. Im Herbst war es auch an der Zeit ein großes Kesseltreiben zu veranstalten. Dann war die gesamte Innung in den Booten unterwegs, man arbeitete Hand in Hand um die großen Elbehäfen abzufischen. Gerade dort in den Häfen war ja das Elbwasser ruhig und damit auch etwas wärmer. Von den Schiffen die dort gerade im Hafen ankerten, kam ja auch ab und an ein kleiner Leckerbissen für die Fische über Bord geflogen. Da hielten sich die Fische natürlich gern in der Nähe auf. Beim Abfischen der Häfen gingen oft Karpfen ins Netz die wurden als Riesen bezeichnet. Dessen Genuss als Speisefisch dagegen hielt sich in Grenzen und der Verkauf war oft problematisch.

Auch in den ersten Wintertagen ruhten die Fischer nicht und fischten auf der Elbe, solange sie offen war und es keine Eisschollen gab. Oftmals überzog der kalte Regen dann Fischer und Boot mit einer Eisschicht. Im dicken Regenmantel sah der Fischer nun aus wie ein eisiges Fabelwesen. Treiben die ersten Eisschollen auf der Elbe, dann beginnt der Fischer, wie er damals oft sagte mit dem „Winterschlaf“. Sein Geldbeutel war in solchen Zeiten sehr leicht. War die Elbe zugefroren, dann wurden kleine Löcher in die Eisdecke geschlagen und es wurde geangelt.

Noch immer wurde in dieser Zeit um 1920, so mancher Sohn eines Elbefischers wieder Fischer und dessen Kinder spielten im und am Strome zwischen Netzen und Garnen. Wie sich andere Kinder mit Hunden und Katzen befassten, so spielten die Fischerkinder eben mit kleinen Fischen im Eimer. Wie sich andere Kinder eben umgekehrt in eine Fußbank setzten, so setzten sich Fischerkinder in das leere Hetfass, dass zum Trocknen aufgestellt war.

Die Boote, die Netze, die Fässer, all das teure Gerät was der Vater einst für viel Geld angeschafft hatte, wurde immer weitergegeben und weiterverwendet. Und bald schon war der Fischersohn genauso wie sein Vater mit dem Berufe verwachsen.

Der Meißner Fischermeister Alfred Megner, einer der Letzten, soll einmal gesagt haben: „Solange es in der Elbe Fische gibt, wird es auch Fischer geben; und die Leute werden wohl recht behalten, die sagen: Erst lange nach dem Tode des letzten Elbefisches wird der letzte Elbfischer sterben!“

Ich meine, diese Aussage sollten wir hier einfach einmal im Raume stehen lassen und jeder möge sich dazu seine eigenen Gedanken machen.

Ganz ähnlich wie die Fischer von Meißen, lebten auch die Holzflößer vom Elbestrom. Ich möchte versuchen einmal den Ablauf einer Holzfloßfahrt so zu beschreiben wie es um 1912, also vor dem Ersten Weltkrieg üblich war. Wieder habe ich Archive durchstöbert, bin dabei auf unzählige Fotos gestoßen und habe wieder einmal so manches erleben können. Im letzten Winter dann hatte es meine Frau und mich gepackt und wir haben dann im heimischen Keller ein Elbfloß mit fünf Tafeln, einer Flößerbude, mit Schtrick und Pätschen nachgebaut. Einen Maßstab gab es nicht, nur alte Fotos, eine historische Zeichnung aus einem Schifffahrtskalender und natürlich haben wir viel Literatur aus dieser Zeit durchsucht. Diese Dinge führten dann zum heute hier gezeigten Modell eines Elbfloßes. Schauen Sie es sich an, Sie sind dazu herzlich eingeladen und im Anschluss vom Vortrag stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

Leider wurde aus unserer beabsichtigten Schenkung an das Stadtmuseum Meißen nichts, weil man es dort ganz einfach gesagt, nicht haben will. Ich möchte mich dazu auch nicht weiter äußern, denn man stellte uns dort förmlich als Deppen hin, die von Geschichte keine Ahnung haben. Aber das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte. Also schauen Sie sich das Modell in Ruhe an, vergleichen Sie es streng nach den im Vortrag gezeigten historischen Fotos und bilden Sie sich ein eigenes Urteil darüber. Gerne hören wir dann anschließend Ihr Urteil, ob das Modell in Ihren Augen würdig ist, als Beispiel der Elbflößerei zu dienen oder ob es dann doch mehr ein Fall für den Badeofen ist.

Begeben wir uns in Gedanken wieder zurück in das Jahr 1912 und folgen wir dabei zwei Männern die einen heute längst ausgestorbenen Beruf hatten, durch die böhmischen Fichtenwälder. Die beiden Männer sind „Wiedendreher“ und helfen den Forstleuten, in dem sie kleinere Fichtenstämme mit ihrem langen scharfen Messer aus den Wäldern schneiden, damit andere Bäume mehr Platz für ihre Entwicklung bekamen. Man lichtete also den Fichtenwald mit aus. Sie wählten dabei junge Fichten von zwei bis max. vier Meter Höhe aus. Diese wurden gefällt und gleich vor Ort hat man dann alle Äste entfernt und nur ein kahles nacktes Stämmchen blieb übrig. Diese Stämmchen bringen die Wiedendreher dann in ihr Haus um daraus Wieden zu drehen. Das war ihr Beruf. Und diese gedrehten Wieden waren damals das A und O vom Holzfloßbau. Doch vorher wurden sie eingedreht und das schauen wir uns einmal genauer an.

Man muss sich die Frage stellen: Sind Wieden heute wirklich überholt und unmodern? Ich komme darauf noch einmal zurück, denn es gibt dazu heute sogar ein prinzliches Interesse und Unterstützung. Doch zu den Fotos:

Solche Wieden wurden dann an die Flößer geliefert. Die Flößer haben dann nicht mit Ketten und Eisenklammern, sondern mit dem Naturprodukt „Wiede“ die großen Holzstämme zu einzelnen Floßtafeln zusammengebunden. Das geschah direkt am Ufer der Elbe bei Tetschen-Bodenbach, dem Stadtteil Laube, oder bei Herrnskretschen. Mit solch einer Wiedenverbindung sind dann die Holzflöße zuverlässig bis zum „Auswaschen“, also dem Auflösen vom Floß am Ziel, oft bis nach Hamburg geschwommen. An den Ufern von Tetschen-Bodenbach bis Herrnskretschen lagen viele Flöße und auch einzelne Stämme an den Ufern, ja ganze Wälder schaukelten damals dort auf der Elbe.

Beide Orte lagen ja damals in Böhmen und Böhmen und das gehörte in dieser Zeit noch zum K.u.K. Österreich. Die Grenze zwischen Österreich und Deutschland lag eben noch bei Herrnskretschen und natürlich galt es damals auch schon die Zollbestimmungen zu beachten. Diese Elbregion war ein großer Holzumschlagplatz in Richtung Norden. Das bedeutet, die Holzstämme wurden zum Teil schon mit der Böhmischen Eisenbahn bis in diese Region gebracht und erst dort den feuchten Armen der Elbe übergeben. Ein Floß auf der Elbe bestand immer aus einer unterschiedlichen Anzahl einzelner Tafeln, welche hintereinander fest mit Wieden verbunden waren.

Nehmen wir nun an, die Flößer hatten den Auftrag, eine große Anzahl Stämme in mehreren Tafeln nach Meißen zum Holz- und Bauunternehmer „OTTO & SCHLOSSER“, unterhalb der Albrechtsburg zu bringen. Die Bestellung und Bezahlung der Holzstämme war in Herrnskretschen eingegangen und das Floß konnte gebaut werden. Insgesamt sechs Leute sollten dann alles sicher die Elbe hinab bis Meißen flößen. Dafür brauchte man, wenn es die Elbe dann auch erlaubte, bis zu vier Tage. Das bedeutete, dass man auf dem Floß wohnte, kochte, Wäsche wurde gewaschen, kurzum man lebte auf dem Floß für einige Zeit. Eine Flößerbude musste also auch noch auf dem Floß entstehen. Nun ging man genau und nach Plan an den Tafelbau. Dazu muss man wissen, jeder in einer Tafel eingebaute Stamm hatte seinen festen Platz und war genau nach Länge und Durchmesser in den Floßpapieren registriert. Das war wichtig denn es erleichterte die Zollabfertigung.

Tafel 1: Beim Bau wurden die längsten Holzstämme zudem an den Außenseiten der Tafeln platziert und dienten dort als „Streichbäume“, Den Namen bekamen die Stämme, weil diese außen an eventuellen Hindernissen im Uferbereich „entlangstreichen“ konnten und die inneren Stämme der Tafel dabei schützten. Die Streichbäume hatten dabei hinten immer ein gewisses Spiel und von oben sah eine Tafel immer aus wie ein nach hinten geöffneter Fächer. Vorn waren die Stämme mit einem dünnen quer aufgelegten Stamm, die Kliste, eng verbunden.

Es gab hier kein Durchbohren oder ein anderes Verletzen der Holzstämme. Grundsätzlich wurde alles mit den nun wieder eingeweichten „Wieden“ zusammengebunden! Wo es unbedingt nötig war, kamen kleine Eisenklammern oder Eisenkrampen zum Einsatz. Ganz vorn gab es noch zwei bis drei „Pätschen“ aus Holz.

Diese Pätschen patschten also beim Rudern und Steuern im gleichmäßigen Takt das Wasser. Vorn an der rechten Pätsche arbeitete der verantwortliche Steuermann, an den anderen Pätschen waren die weiteren Floßleute tätig. Auf der hinteren also letzten Tafel gab es meist nur eine Pätsche und diese hatte die gleiche steuernde Funktion, wie beim Fisch die Hinterflosse. Viele Flöße führten auf der ersten Tafel die Sächsische Fahne in weiß grün, wenn es auf dem sächsischen Teil der Elbe unterwegs war. Diese fertige Tafel wurde dann eng mit der zweiten Tafel mit Wieden verbunden.

Tafel 2: Die zweite Tafel wurde nun gebaut und auf dieser Tafel baute man auch die Brems- und Haltevorrichtung vom Floß, zwei „Schricke“ mit ein. Diese Vorrichtung bestand aus zwei zugespitzten Stämmen, die auf Widerlagern ruhten und dann zwischen den Floßstämmen hindurch schräg auf den Grund der Elbe gestoßen werden konnten. Auf diese Art konnte man auch ohne Anker anhalten und war vor einer unbemerkten Weiterfahrt gesichert.

Meist gab es zwei dieser Schrick-Vorrichtungen nebeneinander auf der zweiten Tafel und je zwei weitere Schricke auf der vierten Tafel vom Floß. Zur Weiterfahrt wurden dann alle Schricke nur einfach wieder auf das Floß gezogen. Zusätzlich diente die zweite Tafel auch noch als kleine Feuerstelle für die an den Pätschen tätigen Floßleute. Hier konnte man kleine Speisen oder den Kaffee, den Tee im Topf warmhalten. Diese kleinen Feuerstellen wurden aus Erde und Steinen direkt auf den Holzstämmen gebaut.

Die zweite Tafel war dann auch der Platz für die gesetzlich vorgeschriebene Erkennungsmarke, ein weithin sichtbares Schild aus Planen Stoff, auf dem auf beiden Seiten in roten Buchstaben der Besitzer und in schwarzen Buchstaben der Floßführer standen. Wir sehen solch ein Schild dann noch später ganz genau. Es war damit eine Art Nummernschild auf der Elbe und es musste vom Ufer her gut sichtbar sein. Diese Tafel wurde dann mit der Tafel 3 verbunden.

Tafel 3: Auf dieser Tafel kam das wichtigste für die Leute die „Flößerbude“. Diese Bude war die Unterkunft während der Reise bis zum Ziel. Sie wurde gegen den Fahrtwind mit einem langen Dach aufgebaut und an den Bretterwänden mit Sitzmöglichkeiten ausgestattet. Anschließend hat man alles nach unten mit Brettern wasserdicht gemacht und den gesamten Raum mit Heu ausgelegt. Es gab nach vorn keine schließende Tür, sondern nur eine Zeltplane, die man zubinden konnte.

Jeder der Flößer brachte je nach Länge der Fahrt, sein persönliches Essen selbst mit an Bord. Dazu noch zusätzlich einige Lebensmittel die bei den am Abend abgehaltenen gemeinsamen Essen für alle aufgebraucht wurden. Das waren meist Brot, Fett, Wurst, Tabak, gemahlener Kaffee und natürlich auch etwas Schnaps. Dazu noch einige Blechgefäße, wie Tasse, Teller und Besteck. Eimer für Trinkwasser waren auch noch notwendig. Vor der Bude befand sich meist auf der Backbordseite, also links in Fahrtrichtung, die große Kochstelle, die ebenfalls auf einem Grund von Steinen und Erde errichtet waren. Es gab da aber sehr viele Eigenkreationen, wie man auf alten Fotos sehen kann. Hier an der Bude war auch noch Gerät wie Sägen, Bootshaken, Seile und Beile aufgehängt und natürlich auch die riesige Bratpfanne. Diese Tafel wurde dann mit der Tafel 4 verbunden.

Tafel 4: Die vierte Tafel war ähnlich wie die Tafel zwei gebaut, es gab dort auch wieder zwei Schricke zum Bremsen und die Feuerstelle für den auf der fünften Tafel am Ruder stehenden Flößer.

Tafel 5 oder letzte Tafel: Hier war die hintere Pätsche, also die Schwanzflosse vom Floß. Ein oder zwei Flößer standen dort an den Pätschen. Sie sorgten dafür, dass in der Strömung der hintere Teil vom Floss nicht zu weit ausschwenkte.

Nun galt es noch vor Abfahrt eine eventuelle „Oberladung“, also weitere Holzstämme auf den gebundenen Floßtafeln zu verstauen. Sie wurden meist aufgestapelt und durch weitere Wieden gesichert.

Das Floß ist nun eingebunden und ausgerüstet – die Fahrt kann von Herrnskretschen aus beginnen. Der Floßführer und seine Leute lösten das Floß vom Ufer und bringen es durch Schlagen mit den Pätschen und dem Schieben mit langen Staken in Bewegung und schließlich in die Strömung. Es schwimmt. Der Steuermann nahm seinen Platz vorne rechts an der Pätsche ein, ein oder zwei weitere Floßmänner arbeitet mit vorn. Bis zu zwei Floßleute arbeiteten hinten an den Pätschen. Man unterhielt sich dabei mit Rufen oder durch Handzeichen. Langsam schwimmt das Floß nun zwischen den Sandsteinwänden der Sächsischen Schweiz dahin.

Doch schon nach wenigen Minuten Fahrt der erste Halt in Schmilka zur Zollkontrolle. Ein Zollbeamter kommt an Bord, er vergleicht und prüft die vorher eingereichten Ladepapieren mit der Floßladung. Jeder Stamm musste dabei seine Stelle in der Floßtafel und in den Papieren haben. Einige Stämme werden vom Zollbeamten auf Länge und Dicke nachgemessen. Alles ist aber in Ordnung. Dass Floß schwimmt wieder auf dem Elbstrom. Es schaukelt schwer und langsam, wenn ein Dampfer Wellen aufwühlt.

Und nun können wir auch einmal solche ein wichtiges Schild, dass auf der Tafel 2 stehen musste, einmal in Ruhe betrachten. Oben steht in Rot der Besitzer vom Holz und unten in schwarz der Floßführer.

Die Flößer stehen also an ihren Pätschen und sind fast mit der Elbe Eins geworden. Keine Bewegung ist da hektisch, es wird nicht gelärmt oder gehastet. Allein die Natur führt und alles folgt ihr. Floß und Flößer.

Wichtig ist den Leuten die kleine Feuerstelle, wo der Tee oder Kaffee warmgehalten wird und die Glut die kleine Zigarre entzündet. Das kleine Feuer half auch, sich bei kaltem Wetter, kurz die Hände zu wärmen. Ein Motto der Elbflößer damals war: „Ein kleines Feuer ist eine kleine Heimat“. War ruhiges Wetter, reichten nur einige leichte Schläge mit den Pätschen um das Gefährt auf dem rechten Wege zu halten. Aber bei Wind und Sturm musste man viel Kraft aufbringen um die Tafeln vom Ufer fern zu halten. War der Sturm zu heftig, mussten die Schricke gesetzt und pausiert werden. Man sagte auch, die Flößer müssen „stellen“ dazu.

Gefährlich waren die Fahrten bei Hochwasser, äußerst ungemütlich waren sie bei Regen und Schnee, bei Hagel und Gewitter. War Nebel, dann musste man besonders auf die Pfeiler der Brücken achten. Man sagte damals unter den Flößern: „Nebel in der Landschaft und im Kopfe sind ganz gefährlich!“

Bei Mondschein und in der Zeit der hellen Nächte im Mai und Juni wurde oft die ganze Nacht hindurch gefahren. Nur in einer stockfinsteren Nacht wurde „gestellt“. Dann musste vorne und hinten ein Licht aufgezogen sein, als Warnzeichen. An den Ufern der Elbe gab es damals viele kleine Gasthäuser, die dann natürlich gern in der Nachtpause besucht wurden. Dort gab es einen warmen Ofen und eine gute Suppe und natürlich auch ein gutes Bier. Wie es damals Brauch war, bezahlten die Flößer ihre Zeche dann mit Feuerholz, welches ja auch beim Flößen anfiel. Blieb man dagegen auf dem Floß, wurde in der Bude auf dem Stroh geschlafen.

Vorher gab es noch das gemeinsame Abendessen an der Kochstelle, die Kleider wurden getrocknet und die Stiefel eingeschmiert. Die Flößer rauchen, trinken Kaffee oder auch so manchen Rum. Sie spielen Karten unterhalten sich und denken an daheim, beim leisen glucksen vom Strom an ihren Füßen. Die wohlige Wärme, der Strohgeruch und der Duft vom verbrannten Holz, lässt alle schnell müde werden. Und bald liegen unsere Flößer im Stroh, sie träumen und schlafen.

Schreckte plötzlich einer auf, dann hatte er sicherlich einmal wieder von einem Vogel geträumt, der sich auf dem Floß niedergelassen hatte und nicht zu verjagen war. Alle Elbflößer waren nämlich, wie auch die Elbschiffer, sehr abergläubige Leute. Ich bin bei meinen Recherchen zum Thema auch immer wieder auf solche Hinweise gestoßen und daher möchte ich heute Beispiele für die Abergläubigkeit benennen.

Man sagte damals: Die Elbe ist eine Riesenschlange, die jeden Tag einen Menschen verschlingt. Wenn ein Anker einen Ertrunkenen hochzieht oder ein Ertrunkener daran hängenbleibt, dann verliert dieser Anker seine Kraft und hält nicht mehr. Ergebnis, der Anker wurde dann meist ausgewechselt! Wenn ein Fahrzeug nach längerer Ruhe aus einem Hafen ausläuft, musste das unbedingt Vorwärts passieren, auch wenn es nur wenige Zentimeter möglich war. Rückwärts ging nicht, denn damit gingen auch die Geschäfte rückwärts. Besonders die Spitzen der Bootsstaken durften niemals mit der Spitze nach oben abgestellt werden, man war der Meinung, die Spitzen würden Gottes Auge verletzen, wenn Gott sorgsam auf das Boot oder Floß achtet. An Bord galt es auch kein Geld am Körper zu tragen, denn Geld lockt das Unglück herbei.
Ein frommer Brauch war es viel Arbeiten an Bord mit den Worten „Mit Gott“ zu begleiten. So wurde der Anker oder der Schrick mit einem „Hol auf, mit Gott“ begleitet.
Vögel an Bord bedeuteten großes Unheil. Daher wurde jede Bachstelze, jede Amsel, jeder Feldsperrling vom Gefährt vertrieben. Ganz schlimm war es bei Krähen oder gar einem Raben. Beide galten als Schattenvögel.  Es gab auch eine Menge von frommen Sprüchen, die meist als klassischer Zweizeiler daherkamen.
Beispiele dafür sind:

Ob zu Wasser, ob zu Land – Schiffer, du bist in Gottes Hand.

Auf schwimmende Bahn hinab – hinan!

Jeder tu, was sich gebührt, dann wird das Floß recht gut geführt.

Doch wieder zurück zu unseren Holzflößern auf der Elbe.

Die Nächte auf dem Floß sind meist kurz, denn schon im Morgengrauen geht es weiter dem Ziel entgegen. So vergehen die Tage und Nächte auf der Elbe, bis das Floß an seinem Bestimmungsort ankommt. Bei uns ist der Bestimmungsort ja die Firma OTTO & SCHLOSSER in Meißen, also in der Nähe der Straßenbrücke, dort wo heute der Altstadt-Parkplatz an der Elbe ist. Dort bei der Firma Otto & Schlosser, wusste man so ungefähr wann das Floß eintrifft und man hielt danach Ausschau. In der Firma oder auf einem Holzplatz gab es einen „Auffänger“. Der hielt Ausschau und wenn in der Biegung hinter der Eisenbahnbrücke ein Floß auftauchte, dann war dass seine Zeit. Der Auffänger ruderte dem Floß nun ein Stück entgegen. Auf dem Floß wurde nun eine lange schwere Eisenkette, die dort auf der letzten Tafel mitgeführt wurde, befestigt und ins Wasser gelassen. Meter für Meter. Je mehr Kette auf dem Elbgrund nachgeschleift wurde, umso mehr verringerte sich die Geschwindigkeit vom Floß. Der Auffänger im Boot beobachtete die abnehmende Geschwindigkeit und zeitgleich die Uferstelle an dem das Floß auf den Meter genau im Strom der Elbe stehen bleiben sollte. Das Floß wurde immer langsamer und immer mehr Kette wurde dabei der Elbe übergeben, bis das Floß genau auf den Punkt stehen blieb. Das Floß ist am Ziel. Das war immer eine Meisterleistung mit wenig technischen Mitteln und wurde gern von den Meißnern von den beiden Brücken aus beobachtet.

Der Floßsteuermann kommt mit dem Boot an Land und in das Büro des Holzhändlers Otto & Schlosser und übergibt dort den Lieferschein. Kurz darauf erschien der Platzmeister mit seinen Leuten und das „Auswaschen“ vom Floß, also das Auflösen und das stammweise ans Land bringen auf den Holzplatz konnte beginnen. Tafel für Tafel wurde nun aufgelöst. Dabei hatte man die ausgelösten Stämme im Wasser mit dem Floßhaken bis zur Schleppbahn geschoben. Die Schleppbahn rollte heran, tauchte ins Wasser unter die Stämme, wird wieder hochgezogen, erfasst dabei mit spitzen Eisenzähnen die Stämme, beißt sich in sie ein und schleppt sie mit an Land, hinauf zum Holzplatz.

Tafel für Tafel verschwindet langsam vom Strom der Elbe. Beim Auswaschen vom Floß kommt dabei die Tafel mit der Flößerbude als letzte an die Reihe. Die Strohlager wurden dabei meist in die Elbe geworfen und verschwanden bald. Oftmals wurden die Flößer von den Meißnern als „Elbzigeuner“ bezeichnet, da vieles einfach den schaukelnden Wellen der Elbe übergeben wurde. Ob Strohbett oder ein gefüllter Nachttopf. Wasserqualität und Umweltschutz war damals ein Fremdwort, Trotzdem gab es aber Fische genug darin.

Oben auf dem Holzplatz türmen sich nun die Stämme. Neben ihnen liegen in großen Haufen die Wieden, diese gedrehten Fichtenstämmchen, welche alles ausgehalten hatten und noch immer einsatzfähig waren und weitere Verwendung fanden. Die Sägen schneiden inzwischen schon die ersten Stämme zu Balken und Brettern. Aus den Balken wurden Häuser, aus den Brettern wurden Geräte.

So standen damals die Wälder wieder auf in Baugerüsten und Dachstühlen. Möbel werden aus den Stämmen hergestellt und so kamen die Menschen zum Wald und so kam der Wald zu den Menschen.

Die Flößer stampften in ihren großen Stiefeln, den Rucksack mit Töpfen auf den Rücken, Säge, Beil und Drähte am Arm zum Meißner Bahnhof. Man kaufte sich dort einige Zigaretten, eine Kleinigkeit für die Frau, und eine kleine Süßigkeit für die Kinder. Die Eisenbahn brachte dann die müden Flößer nach Hause. Am Morgen dann nach der Ankunft daheim werden sie wieder einen neuen Auftrag bekommen, erneut ein Floß mit Wieden einbinden und sich unter Umständen auf eine lange Fahrt einstellen. Das Leben der Elbflößer war immer ein ständiges Stromab – Landauf, eben auch wie bei allen anderen Menschen, ein immerwährendes Ab und Auf.

Wie bereits am Anfang erwähnt, komme ich noch einmal kurz auf die Wieden zurück, die einst für den Floßbau so wichtig waren. Diese gedrehten Fichtenstämme sind, werden sie nicht zerhackt fast unverwüstlich, wasserfest, flexibel, halten große Zugkräfte aus und eben aus 100 Prozent Natur! Gemeinsam mit Prinz Daniel von Sachsen kam uns die Idee, diesen Werkstoff, nicht endgültig zu vergessen. Wir fragten uns, sind solche Wieden heute noch nutzbringend oder gar eine Alternative? Denn, was einst möglich war, muss doch heute auch noch möglich sein. Wieden, momentan wissen wir noch recht wenig. Aber sind sie eventuell eine mögliche ökologische Alternative für andere Materialien? Aktuell wollen wir drei uns einmal selbst als Wiedendreher versuchen und dann sehen wir weiter. Das nur kurz zur Info. Die Wiede ist in Sachsen also noch nicht vergessen.

Der Vortrag heute soll mit einem kurzen Gedicht abschließen. Es ist ein Gedicht auf einem alten Schiffergrab bei Dresden.

Ich hatte stets mein Leben lang
zum Reisen Lust und großen Hang
und reiste auch an Gottes Hand
zu Wasser bald und bald zu Land.

Nun, angelangt im Himmelreich,
ich ruhig meine Segel streich
und werfe meinen Anker aus
auf immer vor dem Gotteshaus.

6. Vortrag „Von Aschemarie zum Galoppschuster – Die Meißner Originale"

Von Aschemarie zum Galoppschuster – Die Meißner Originale

Als mir dieses Thema vor Jahren in den Sinn kam, um dann irgendwann einmal einen Vortrag darüber zu halten, da habe ich mich gefragt, „Was sind denn eigentlich „ORIGINALE“, was muss man darunter verstehen? Was sind das für Menschen, wie haben sie gelebt, was haben sie denn gearbeitet, was war geschehen, um sich so in den Erinnerungen der Menschen einzuprägen? Was war an ihrem Dasein so besonders und vor allem, wie sind sie zu Originalen geworden? Lässt sich Originalität vererben?
Im Lexikon erfährt man darüber:

Ein Original ist eine Person, die durch unverwechselbares, zum Teil auch exzentrisches Auftreten, Verhalten oder andere Eigenschaften bekannt geworden ist.
Doch reichen diese Tatsachen wirklich schon aus um ein „ORIGINAL“ zu sein? Original ist damit auch gleich originell? Es ist für mich wohl mehr ein „besonderes und dauerhaftes in der Öffentlichkeit Stehen“, was solche Mitmenschen aus- und dabei bekannt machte. Doch wollen wir es uns heute einfach machen und jeder für sich soll selbst entscheiden wer dazu gehörte, wer es war oder wer noch dazu gehören sollte. Fakt ist, die Stadt Meißen hat in seiner Geschichte viel Originelles zu berichten und viele Originale machten die Stadt originell.

Da gab es zum Beispiel mit Johann Hamalcik aus der Auenstraße 8, einen „staatlich geprüften Kastrierer“ in der Stadt. In großen Lettern stand das auch auf seinem Firmenschild am Haus zu lesen. Und dieses aussagekräftige Werbeschild war bis in die 1960er Jahre zum sehr beliebten Fotomotiv der Touristen geworden. Gern ließ man sich einst in kleiner Gruppe vor diesem Schilde fotografieren. Einen eigenen Kastrierer hatte wohl nicht jede Stadt zu bieten. Sogar das heute immer noch sehr beliebte Fotomotiv vom Heinrichsbrunnen am Stadtmuseum, soll damals nur die Nummer Zwei in den Charts gewesen sein, so sagte man. Doch Meißen konnte mehr.

Es gab einmal in der Neugasse 64 einen „Alkoholfreien Schank“, der als „Erste Eishalle“ ausschließlich alkoholfreie Getränke, gut gekühlt, an seine Gäste ausschenkte. Übrigens war sie eine der ersten alkoholfreien Gaststätten im Königreich Sachsen überhaupt. Meißen hatte auch 1926 eine eigene Gießkannenfabrik in der Uferstraße 10.
Es gab im Jahre 1926 neun Hebammen und fünf Heimbürgerinnen, also Totenfrauen in der Stadt und dazu noch ein Sargverleihgeschäft. Dort konnte man sich bei der Familie Paul Leuteritz am Trinitatsweg 8, einen Prunksarg für die Bestattung eines Angehörigen ausleihen. Dabei lag der Verstorbene in einem billigen Holzsarg, welcher dann zur Feier und wie man so schön sagt, für die Leute, in den Prunksarg hineingestellt und dann so aufgebahrt wurde. Zudem gab es zur Bestattung noch einen Zeremonienmeister, der auch als Grabbitter fungierte. In der Dresdener Straße, im noch damaligen Cölln, gab es die Zuckersiederei Langelütje, der es gelungen war, als erster Hersteller von Kandiszucker ohne Faden, in die Zuckergeschichte von Europa einzugehen. Später war die Firma unter „Elbdom Meißen“ bekannt. Es gab um 1910 einst in der Stadt schon zwei Pilzberatungsstellen, zwei Perückenmacher, mehrere Spazierstockfabriken und immerhin schon acht Zahnkünstler, welche sich heute Zahnärzte nennen und damals sogar an Sonn- und Feiertagen Sprechstunde hatten. Das war einst völlig normal.

Zahnärzte, heute leider ein sehr bedauernswerter und armer Berufszweig geworden, da sich die heutigen Zahnärzte nur noch von den Resten in unseren Zähnen ernähren müssen. Äh, ist heute hier zufällig ein Zahnarzt anwesend? Ja? OK, dann würde ich einmal sagen, ich streiche den Termin am Montag und gehe dann doch lieber Zuhause zur Sprechstunde. Wenn mich da nicht alles täuscht hat mein Zahnarzt sogar in der kommenden Woche seine Sonderziehung.
Doch wieder zurück zum Originellen von Meißen. Was mir noch völlig unbekannt war ist die Tatsache, dass man einmal hier in der Stadt Meißen „Okarinas hergestellt hat! Wer weiß was eine Okarina ist, es gibt sie noch heute?

Ja genau, eine Okarina ist ein Blasinstrument aus Holz, Ton, Porzellan oder einer anderen Keramik. Experten nehmen an, Okarinas seien über 12.000 Jahre alt, sie waren in vielen alten Hochkulturen vertreten und wurden auch von den Maya, Inka und Azteken gespielt. Und das alles wurde einst einmal auch in Meißen hergestellt und weltweit vertrieben. An weiteren Recherchen dazu bin ich momentan noch dran und es scheint ein brisantes Thema zu sein. Ich kann Ihnen aber heute schon folgendes sagen:
Es gab einst in der Stadt nachweisbar zwei Okarina-Fabrikationen. Es soll zudem Okarinas aus Meißner Porzellan gegeben haben. Dazu fehlen allerdings noch die Beweise und die alte Werbeanzeige flunkert wohlmöglich.

Es war und ist eben meist wie heute, und alles an Keramik was aus Meißen kommt, wird oft schnell mit der Porzellanmanufaktur an der Talstraße in Verbindung gebracht. Aber das trifft eben nicht immer zu, denn Meißen hatte einst einmal eine große und vielseitige keramische Industrie! Was wir bisher nachweisbar wissen, Okarinas aus keramischen Stoffen gab es auf jeden Fall. Ob da auch die Porzellanmanufaktur Meißen beteiligt war, ist bisher unbekannt aber durchaus möglich.

Ich lasse dazu gern einmal eine echte Okarina von damals, die in der Firma Freyer & Co. in der Leipziger Straße 10 gefertigt wurde rumgehen. Es handelt sich dabei um ein „normales“ Modell, doch es gab auch Okarinas mit Zwiebelmuster und dem Dekor Streublümchen. Es gibt da auch schon Hinweise, dass die Fa. Freyer & Co. auch an der Entwicklung von Porzellanpfeifen beteiligt war und einige Patente dazu anmeldete. Heute gilt der leider schon verstorbene Meißner Porzellankünstler Ludwig Zepner als Erfinder der Porzellanpfeifen für eine Porzellanorgel.

Über ein Original der besonderen Art wird in der alten Sage vom dummen Jungen, oder auch den Gänsejungen von Meißen erzählt. Über viele Generationen hinweg wurde dessen Geschichte nun schon weitergegeben. Der Junge, der in einigen Überlieferungen auch Klaus genannt wird, wurde durch seine Geschichte selbst zum Original und gehört damit auf ewig zur Stadt. Und damit er nicht vergessen wird, folgen Sie mir einfach einmal für einige Minuten in die Zeit der großen Kurfürsten.

Wie jeden Morgen sah man den Jungen in armselig buntgeflickter Kleidung, mit seinen laut schnatternden Begleitern das Stadttor passieren, um dann auf der großen Elbwiese die Gänse zu hüten. Als Klaus durch die Elbgasse kam, begegnete er einigen prächtig gekleideten Ratsherren, welche mit bedächtigen Schritten zum Rathaus gingen. Am anderen Ende der Elbgasse, am Brückentor, waren zahlreiche Stadtknechte mit Trommelwirbel und Pfeifenklang aufmarschiert. Was war denn heute los? fragte sich Klaus. Die Antwort darauf bekam er schnell, denn einer der Stadtknechte fuhr ihn an. "Mach, dass du wegkommst mit deinen Gänsen, gleich kommt der Kurfürst!" Und wirklich, aus weiter Ferne erscholl bereits Fanfarenklang und ein großer schwerer Reisewagen, näherte sich umgeben von vielen Reitern mit wehenden Fahnen der Elbbrücke. "Schade, dachte Klaus und blickte traurig nach seinen Gänsen. Von den Elbwiesen aus, werde ich den Kurfürsten wohl nicht sehen. Oh, Mann, ich muss doch auf die Gänse aufpassen und bekomme am Abend großen Ärger, wenn dann auch nur eine einzige Gans fehlt." Langsam ging er weiter.

Oben am Brückentor hatten sich inzwischen viele Menschen versammelt und einige jubelten sogar. Da, mit einem lauten fast ohrenbetäubenden Rumpeln, fuhr die schwere Kutsche vom Kurfürsten auf die hölzerne Brücke. Das Schnaufen der Pferde und das rhythmische Stampfen ihrer Hufe schallten durch das Elbtal. Hinter der Kutsche liefen einige Kinder her, die nur mit Mühe von den berittenen Begleitern, auf Distanz gehalten wurden. Klaus konnte es ganz deutlich sehen, dass der Kurfürst hin und wieder etwas in die jubelnde Menge warf. Klaus rannte plötzlich los und blieb auch gleich wieder stehen. Ach ja, die blöden Gänse! Er musste sie mitnehmen, aber wie? Kurzentschlossen packte er seine Gänse und stopfte sie mit einem herzhaften Ruck durch den engen Ledergürtel, welcher seine buntgeflickte Hose hielt. Schnell war er wieder auf der Elbgasse und drängelte sich durch die vielen neugierigen Gaffer. Bunte Fahnen, Pferde, Kutschen, alles wehte, trampelte und rumpelte an Klaus vorbei. Solch einen bunten Zug hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Selbst seine am Gürtel hängenden Gänse, schienen mit weit aufgerissenen Schnäbeln und verwundert verdrehten Augen, diesen Anblick zu bestaunen. Als die letzten Trompetenklänge vom lauen Sommerwind fortgetragen waren, zerstreute sich langsam das gerade noch begeisternd jubelnde Volk und jeder ging wieder seinen Alltagsgeschäften nach. Der Bäcker ging in seine Backstube zurück, der Schneider setzte sich wieder auf das Fensterbrett und seine Nadel blitzte lustig im Schein der Sonne. Klaus trollte sich nun auch davon und ging wieder den Elbwiesen zu. Doch wo waren seine Gänse? "Biele, biele, bi…?" Oh je, erstickt und tot hingen sie nun im Gürtel und ließen die Hälse hängen. "Wenn das die Mutter erfährt!" Klaus begann zu weinen und schon bald sammelten sich Leute um ihn herum und spotteten. "Da, schaut euch nur an, wie er dasteht, dieser dumme Junge von Meissen!"

Nun, es ist leider nicht überliefert, ob es am Abend zuhause für Klaus, Ohrfeigen, Gänsebraten oder gar beides gab. Wie uns die Sage weiter berichtet, wurde aus Klaus ein äußerst gewitzter Bursche, der später am Hofe des Kurfürsten als Spaßmacher, ein lustiges Narrenleben geführt haben soll.

Ein weiteres Original der Stadt Meißen war Otto Julius Brück, er lebte vom 3. August 1825 bis zum 19. Juni 1905 in Meißen, auch er erlernte das Buchbinderhandwerk und trat in das väterliche Geschäft ein. Er führte später als 3. Generation das wohl jeden noch heute bekannte Unternehmen Brück & Sohn. Bekannt wurde Otto Julius Brück durch seine besondere Kalenderherstellung. Später, nach der Erfindung der Fotografie, gehörte er zu den ersten Verlegern von Ansichtskarten. International hoch angesehen wurde damals vor allem die ausgezeichnete von ihm gelieferte Qualität seiner Produkte. In der Meißner Literatur wird Otto Julius Brück immer wieder als „alter Brück“ oder auch als „Spaßmacher Brück“ aufgeführt, was auf seinen gütigen und humorvollen Charakter zurückzuführen war. Brück konnte lebendig und vor allem voller Satire erzählen und man hörte ihm mit Begeisterung zu. Doch damit nicht genug, denn er war auch ein Freund von kleinen Streichen, welche er gern seinen Freunden und Mitbürgern spielte. Er galt und gilt noch heute als bekannter Vertreter geistvoller Originalität. Und gerade diese Streiche waren einst so bekannt, dass man davon sogar in einer Sonderausgabe zur Tausendjahrfeier der Stadt Meißen in den Dresdner Nachrichten am 1. Juni 1929 darüber berichtete.

Man sah ihn sehr oft mit einem langen Gehstock mit Elfenbeinkrücke, mit einem hohen Hut und schwarzer Halsbinde, würdig durch die Straßen und Gassen von Meißen schreiten. Aus seinem bartlosen glatten Gesicht schauten kluge, gütige doch zeitgleich auch recht schalkhafte Augen. Offenbar dachte er gerade einmal wieder über einen witzigen Einfall nach. Er war gerade auf dem Weg zum Kleinmarkt 6 um dort im renommierten Restaurant von Karl Ernst Säuberlich einen guten Schoppen Wein zu genießen. Er traf an diesem sonnigen und warmen Sommertag noch zwei Freunde. Alle trugen vorsichtshalber einen Regenmantel und Schirm bei sich. Kurzentschlossen wurde nun Brück’s schalkhafte Idee umgesetzt. Alle Männer gingen zum Heinrichsbrunnen und tauchten dort zunächst ihre Mäntel und Schirme ein damit alles nass wurde. Dann ging es mit dieser nassen Kleidung zum Kleinmarkt zu Säuberlich. Dort angekommen, rief Otto Julius Brück in die Gaststätte hinein „So ein Schweinewetter heute“ und auch seine Begleiter schüttelten kräftig ihre Regenmäntel und Schirme aus. Das Wasser spritzte nur so. Die bereits anwesenden Gäste im Lokal schauten natürlich mit einem recht blöden Gesicht zwischen den durchnässten Ankömmlingen und den Fenstern der Gaststätte hin und her. Draußen strahlte ganz friedlich die Sonne vom blauen Himmel herab und außerdem war doch auf dem Kleinmarkt alles trocken. Alle trauten ihren Augen aber auch dem Frieden nicht, denn viele blieben sitzen um das vermeintliche schlechte Wetter draußen auszusitzen. Solch einen köstlichen Humor hatte also Brück.

Eine weitere Begebenheit möchte ich Ihnen ebenfalls nicht vorenthalten und ich entführe Sie dazu in die Burgstraße, genau zum Ladengeschäft von Brück & Sohn. Dort stand er nun eines Tages vor dem Geschäft und harrte der Dinge die noch folgen sollten. Ein großer Schützenauszug war am kommenden Morgen geplant und der sollte über die Burgstraße führen. Einige Tage zuvor hatte Brück beim Glase Wein, auch mit dem Kommandanten der Schützenabordnung geplaudert. Der Kommandant war demnach auch ein Freund von Wetten und brüstete sich gar sehr über seine Autorität bei den Schützen und lobte überschwänglich die besondere Strammheit seines Bataillons. Das war natürlich Wasser auf die Mühlen von Brück. Der ließ dann plötzlich so ganz nebenher verlauten: „Ich will Euch euren ganzen Zug richtig schön aus der Ordnung bringen. Es wird mir gelingen!“ Der Kommandant hielt dagegen und behauptete: „Das gelingt Ihnen nie, wollen wir Wetten?“ Otto Julius Brück nahm die Wette gern an.

Am Morgen vom Schützenauszug hatte der Kommandant dann nochmals seine Schützen ordentlich zusammengefaltet und befohlen: „Egal was passiert, das gesamte Bataillon bleibt in Formation und keiner tanzt aus der Reihe! Verstanden?“ Der alte Brück dagegen kauerte an diesem Morgen nur einmal ganz kurz auf der Burgstraße nieder, ging wieder zum Geschäft zurück und wartete lächelnd auf die Schützen. Da, endlich waren sie da. Schneidig und mit strammer Haltung marschierten sie durch die Burgstraße. Aber was war das?

Genau vor dem Geschäft strauchelte plötzlich die erste Reihe vom Bataillon, die Nachfolgenden kamen nun auch ins stolperten und einige fielen gar noch hin. Warum das?
Offenbar, so sah es jedenfalls aus, versuchten einige der Schützen etwas von der Straße aufzuheben. Es gelang aber nicht. So kam es dann zum grandiosen Durcheinander, welches ja Brück bereits dem Kommandanten angekündigt hatte. Was war also geschehen?

Nun, Gott sei Dank waren damals die Schleusendeckel der Stadt noch aus Holz gefertigt und somit konnte Otto Julius Brück auf solch einen Schleusendeckel ein großes Portemonnaie nageln. Jeder der Schützen konnte es von weitem schon dort liegen sehen. Und da man vermutete, dass es verloren ging und wohlmöglich voller Geld steckt, bückte man sich auch ganz schnell danach. Man bekam es aber nicht in die Hände. Auch wenn einige einfach weitermarschierten, die nachfolgenden Schützen bückten sich doch gleich wieder danach. So kam es das die Disziplin im Zug mehr als gestört war, ja man kann sagen, Einer stolperte über den Anderen, einige fluchten sogar. Was man dabei fluchte ist zwar bekannt, es darf aber heute erst nach 22:00 Uhr öffentlich vorgetragen werden!

Fakt ist, anwesenden Passanten, sowie Otto Julius Brück selbst, liefen vor Lachen nur so die Tränen über das Gesicht. Der Kommandant brachte mit Mühe und lautem Fluchen seine Schützen endlich wieder ins Gleichgewicht und er zahlte zähneknirschend einige Tage später eine gute Flasche Meißner Wein im Restaurant am Kleinmarkt.

Kommen wir nun zu einem recht putzigen Ehepaar, obwohl, dass beide miteinander wirklich Verheiratet waren, habe ich nirgendwo gefunden. Mein Vater, er war Jahrgang 1919, hatte Aschekarl und Aschemarie oder auch Aschemariechen genannt, noch live auf den Straßen von Meißen erlebt. Meist führten sie noch einen Hund mit, der dann vor einem kleinen Wagen gespannt war. In den Diensten von Ordnung und Sauberkeit traf man alle drei besonders auf den Höfen der Stadt an.

Aschgrau wie ihr so nötiges Gewerbe, so sahen auch Karl und Marie aus. Obwohl „Grau“ war meistens nur er. Auf den Höfen der Stadt gab es ja damals die auch mir noch bekannten Aschegruben, welche von Zeit zu Zeit entleert werden mussten, da es noch keine Aschetonnen gab, die zum Leeren abgeholt wurden. Das Leeren von Aschegruben war einst die Hauptaufgabe von Aschekarl und Aschemarie und aus heutiger Sicht war das natürlich ein harter Knochenjob im Dreck. Mit Hilfe einer Leiter und einem Tragekorb stieg Aschekarl in die Grube herab und füllte den Korb mit seiner Schaufel. Dann wurde der Korb geschultert und es ging wieder hinauf. Im Korb war meist Asche aus den Öfen der Häuser, aber auch so mancher andere Unrat. Marie machte Akquise für das Geschäft, während Karl in den Aschegruben schaufelte und so manchen kleinen oder auch großen Seelentröster vom Hausbesitzer eingeschenkt bekam. Mit einem „Naaa, Guten Tag schöner Herr“, grüßte Aschemarie immer ganz höflich und vielversprechend, allerdings widerstanden doch alle ihren Reizen. Marie machte auch die Termine für anstehende Leerungen von Aschegruben und hatte dabei ihr gut aufgeräumtes Büro im Kopf. Egal wo, Marie war recht beliebt, sie hatte oft einen lustigen Spruch auf den Lippen, sie trat immer äußerst höflich gegenüber Fremden auf. Böse Worte sparte sie sich für ihren Karl auf. Und das war oft auch gerechtfertigt.

Hatte Karl einige Gruben und dabei einige Gläser geleert, dann waren nun die Aschegruben leer und Karl war voll. Meistens war das schon am Mittag der Fall. Nun konnte Marie auch sehr böse werden. Trotzdem amüsierten sich die Leute köstlich, wenn beide am Heinrichsbrunnen saßen. Marie im Schatten auf der Bank und Karl, zum Laufen nun unfähig, saß im Wagen. Der Hund war als Zughilfe mit davor gespannt.  Oftmals gab es dann Streit zwischen den beiden, da flogen die Fetzen, doch keine zwei Minuten später lagen sie sich in den Armen und schworen sich unter Tränen die ewige Liebe. Danach nahm Aschemarie die Deichsel vom Handwagen setzte den Hund zum Besoffenen Aschekarl und zog alle beide laut schimpfend heim. Wo alle drei wohnten, ist mir nicht bekannt. Jung und Alt ergötzten sich jahrelang an Aschekarl und Aschemarie, wusste aber auch gleichzeitig wie wichtig beide doch für die Stadt waren. Eine besondere Ehre gab man den drei Gesellen damit, dass man sie als Meißner Originale auf einer Ansichtskarte um 1910 abdruckte. Leider ist mir der Verlag nicht bekannt geworden und auch die Rückseite der Karte gibt dazu keinen Hinweis. Allerdings, in den vielen Geschichten, welche die Meißner über diese lustigen Gesellen erzählen können, leben sie noch bis heute ebenfalls weiter.

Um die Jahrhundertwende, also um 1900 herum, hörte man oft in der Nähe vom Baderberg ein plötzlich einsetzendes Freudengeheul der Meißner Gassenkinder. „Ga-lopp, Ga-lopp, Ga-lopp“, ertönte es aus dem Hinterhalt und aus den Hauseingängen, ja sogar aus den geöffneten Fenstern war dieses „Ga-lopp“ zu hören. Gleichzeitig vernahm man ein lautes klapperndes Getrampel auf der Straße.

Ein schon älterer mittelgroßer Mann mit blauer Schürze, die Brille auf der Nasenspitze und einen Holzpantoffel drohend nach den Rufern erhoben in der Hand, raste den Baderberg hinauf. „Der Galoppschuster Banig“. Und diesen treffenden Beinamen hatte er auch in der Tat verdient. Er war ein Holzpantoffelmacher, den man nur rennend in den Meißner Gassen sah. Seine Geschwindigkeit wuchs im Laufe des Tages und mit dem Genuss von konsumierten geistigen Erfrischungen. Das laute klappern der eigenen Holzpantoffeln kündigte ihn an, wenn er einmal wieder etwas repariert hatte und nun an seine Kunden auslieferte. Im Galopp natürlich.

Und erst an den Sonntagen kam der Galoppschuster so richtig in Stimmung, denn da putzte er sich heraus und war meist schon kurz nach dem Kirchgang angesäuselt. Im Frack und Zylinder und den Tragekorb mit Holzpantoffeln auf dem Rücken, bot er wahrlich ein ergötzliches Bild. Laut wetterte er dann zum Spaß der Kinder, auf die evangelischen oder katholischen „Schw…“ je nachdem wie er gerade sein Bekenntnis gewechselt hatte. Wo er genau wohnte und wo sein Geschäft war, konnte ich an Hand der alten Adressbücher von Meißen leider nicht herausfinden.

Immer wieder wird in der von mir durchgesuchten Literatur vom guten alten Brezelmann berichtet, der auch in den grimmigsten Wintern, mit seinem großen Weidenkorb und schwarzer Wachstuchdecke treu sein Backwerk verkaufte. Dabei erfreute er besonders die Kinderwelt mit seinen süßen Brezeln und den anderen verschiedensten Backwaren. Dabei war sein Alter kaum schätzbar. Ob auf dem Markte, auf den Schulhöfen oder am Elb-Bade, überall war der Brezelmann zur Stelle um den kleinen und großen Hunger der Leckermäuler zu stillen. Leider ist vom guten alten Brezelmann nicht einmal der Name bekannt geblieben. Aber auch er zählt für mich ebenfalls zu den Meißner Originalen und an alle soll ja heute einmal gedacht werden.

Im letzten Abschnitt, möchte ich gern noch einige Vertreter der heutigen Zeit benennen oder auch schon erinnern. Wie schon eingangs erwähnt, genügt ja oft allein der ausgeübte besondere Beruf, oder ein geschaffenes Produkt, um zum Original zu werden.

Denken wir dabei an die „Meißner Fummel“, den Meißner Baumkuchen, die Meißner Oblaten von Heinrich Prokupek aus der Burgstraße, oder auch den Meißner Senf aus der Senfbude Roessler. Solche Dinge sind und waren originell und ihre Erzeuger lieferten auch die besondere Geschichte dazu.

Oder erinnern wir uns der Meißner Schuhe. Sie wurden vor nicht gar zu langer Zeit fast auf der gesamten Welt getragen.

Meißen hatte einmal mit der Firma Roßberger eine eigene Wetter-Barometerfabrik und beliebt waren bei den Kindern in ganz Deutschland, die MEWA-Elektrik-Baukästen aus dem MESCO-Werk. Es gab schöne Schnitzereien und Töpferwaren von Herbert Triebe. Bekannt war auch ein besonderes Verkehrsspiel für Kinder. Ich selbst habe noch damit gespielt. Hergestellt wurden die Kinderspiele einst von Heinz Löffler um 1950.

Auch der Hersteller „Lehrmittel Loser aus Meißen“ in der Poststraße war ein Begriff. Lehrmittel der verschiedensten Art in der Form von Baukästen, Karten, Stempel und anderen Hilfsmitteln für Schulen kamen auch später noch aus der Talstraße.

Vielen wird auch noch der Name Kurt Süß aus der Großenhainer Straße etwas sagen. Die lustigen und immer schön bunt bemalten Holzflachbilder hingen in vielen Kinderzimmern. Um 1972 wurde aus Kurt Süß dann der VEB Kunstgewerbliche Holzverarbeitung Meißen und man hat unter dem neuen Namen weiterproduziert. Im Jahre 1989 nannte sich der kleine Betrieb dann VEB Holzkunst Dresden, Betriebsteil III, Meißen. Vieles und viel Gutes kam einmal aus Meißen. Und, wie sieht es heute damit aus? Reichen uns heute Wein, Bier aus Meißen sowie aufgestellte Fahrradboxen, hergestellt im Rheinland aus? Hat unser Porzellan bereits sämtlichen Glanz verloren? Finden wir darauf eine Antwort, und wer gibt sie uns?

Abschließend möchte ich noch auf einen leider auch schon verstorbenen Meißner zu sprechen kommen, Einen Bürger der Stadt, der sicherlich nicht nur für mich, schon immer etwas ganz Besonderes war. Ich meine damit Georg Falk.

Wer kennt noch den begnadeten Künstler und Tüftler mit dem Geschäft am Lutherplatz, der uns auch als „Postzaubermeister“ im Kinderferienlager begegnen konnte? Überhaupt zauberte er regelmäßig für die Kinder in den Ferienlagern der gesamten DDR, während den Sommerferien. Seine beiden Kinder-Zauberkästen wurden legendär.
Georg Falk gründete im Jahre 1946 hier in der Weinstadt Meißen sein kleines Zaubergeschäft und dieses Geschäft wurde bald ein Synonym bei Zauberern in Ost und West. Heute und noch immer am Markt, bewegt sich das Verkaufssortiment eher in Richtung Scherzartikel und Feuerwerk, aber ein Begriff ist der Name Falk immer geblieben. Nach dem Tod des Vaters führt nun sein Sohn Peter das Geschäft am Lutherplatz.

Doch wie kam es, dass sich Georg Falk einmal ganz der Zauberei hingeben sollte und damit berühmt wurde? Schon als Jugendlicher Sportbegeisterter war er Mitglied im Arbeitersportverein Meißen und arbeitete bereits auf der Bühne als „Klischnigger“. Das Wort Klischnigger stammt aus der großen Welt des Varietés und man könnte durchaus auch Schlangenmensch dazu sagen. Er gehörte also zu den Leuten die ihren Körper extrem verbiegen können. Er erlernte zunächst den Beruf eines Maschinenbauers und nach der Lehre bekam er dann eine Anstellung als Postbeamter im Postamt Meißen.

Viel Zeit verbrachte er schon damals nach Feierabend mit der Zauberkunst. Er hatte viele Ideen und begann damit Utensilien für Magier selbst herzustellen oder bereits erfundene noch zu Verbessern. Schon 1934 reiste Georg Falk mit über 40 Zentner Gepäck als Zauberkünstler durch die Lande. Interessant dabei, alles was an Artistengepäck auf die Tournee mitgenommen wurde, war von ihm selbst entwickelt und gebaut worden.

Einen großen Erfolg brachte bereits seine Schau „Menschen, Tiere, Illusionen“. Mit dieser Schau bereiste er bis zum Kriegsende 1945 alle größeren Frontbühnen.
Im Jahre 1946 gründete er dann das Geschäft „Magische Werkstatt Meißen“, welches dann auch zeitgleich als Grundsteinlegung für sein Lebenswerk anzusehen ist. Das Geschäft wird später auch mit dem Firmennamen „GEFA-Zauberkunst Meißen“ bekannt. Kurz darauf ist Georg Falk als Aussteller von magischen Produkten auf der 1. Leipziger Frühjahrsmesse nach Kriegsende am meist dicht umlagerten Stand vor Ort. Seine Geschäftsidee, sich auf Artisten- und Zirkusbedarf mit dem Schwerpunkt Zauberkunst zu spezialisieren, schien aufzugehen.

Ein weiteres Geschäftsfeld wurde die Herstellung von besonderem Federschmuck, der vor allem im Showbereich auf der Bühne, im Theater oder im Zirkus gefragt war. Er verstand es von Anfang an, vielerlei Produkte aus bunten Federn herzustellen und so entstanden in der Meißner Werkstatt auch unzählige Federpüschel als Kopfschmuck für die Ballettdamen oder eben auch für Zirkuspferde. Magier bevorzugten ebenfalls für ihre prachtvolle Zaubershow, die besonders schönen Federblumen aus der Werkstatt Falk.

Unter den geschickten Händen seiner Frau Hedwig Falk, entstanden wahre Kunstwerke aus Federn. Weit über die Grenzen der DDR war damals der Name Falk ein Begriff geworden, liebevoll wurde er auch „Federblumen-Falk“ genannt. Und wohl jeder kennt ja die prachtvoll geschmückten Pferde, die dem Dompteur hörig, in der Manege eine Piaffe tänzeln. Stolz tragen sie dabei ihren Federschmuck. Man muss dazu wissen, dass die Fa. Falk der einzige Hersteller von solchem Federschmuck in der DDR war.

Bereits auf der Händlermesse zum Zauberkongress 1954 in Triberg im Schwarzwald, wurden seine Federarbeiten zur Spezialität. Es gab Bestellungen aus der ganzen Welt. Auch später war die Firma aus Meißen auf internationalen Zauberkongressen immer ein gern gesehener Gast.

Zu den zufriedenen Stammkunden zählten viele berühmte Magier aus dem In- und Ausland wie Kalanag, Sorcar oder auch Kassner. Georg Falk hatte mit seinem Unternehmen viel zu tun und konnte dadurch immer weniger öffentliche Auftritte absolvieren.

Dennoch zog es ihn in den Sommermonaten alljährlich hinaus, um im Kinderferienlager zu zaubern. Er war auch der erste Zauberer in der DDR, der in einem Ferienlager ein Zweistundenprogramm zeigte. Auf seine Initiative kam es damals zur Gründung der Magischen Gruppe Meißen, welche noch heute, nun als Magischer Zirkel, bekannt ist. Durch seine Bekanntschaften zu fast allen Größen des Showgeschäftes hatte er auch die Möglichkeit einige Nachlässe dieser Zauberer zu übernehmen. Somit übernahm er auch den Zaubergerätenachlass von Kassner.

Im Jahre 1974 übergab Georg Falk sein Geschäft in die jungen Hände seines Sohnes Peter. Er selbst ruhte allerdings nicht aus, sondern tüftelte und baute stundenlang an seinen Maschinen um neue Dinge zu erfinden. Der kleine Zauberladen lief nebenher und war gut bekannt. Damals umfasste das Produktionsprogramm mehr als 200 Artikel. Mit einem eigenen Zauberkatalog und der Herausgabe zweier Zauberkästen, setzte die Firma neue Maßstäbe. Besonders der einzigartige Zauberkasten „HOKUSPOKUS 6 x ZAUBEREI FÜR KINDER“, wird wohl noch für einige von uns ein Begriff sein. In Spitzenzeiten verarbeiteten vier Familienmitglieder und sechs Beschäftigte im Jahr über sechs Tonnen Spiel- und Trickkarten der Firma Altenburger Spielkarten. Am 5. Oktober 1985 verstarb Georg Falk in Meißen.

Peter Falk, der das Lebenswerk seines Vaters bestens fortgesetzt und weiter ausgebaut hat, ist selbst mit Leib und Seele ein Zauberkünstler geworden.
Genauso wie sein Vater tritt er natürlich auch immer noch gern vor Publikum auf und ich habe bei der Recherche zum heutigen Vortrag einen alten Zeitungsartikel gefunden, indem ein besonderer Spruch stand. Und dieser Spruch passt zum Schluss meines Vortrages sowie zu dem Erfolg der Zauberfirma Falk aus Meißen. Der Spruch lautet:
„Den größten Erfolg erzielt man dann, wenn man etwas mit Leidenschaft tut.“